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Portraits

Vanessa: «Ich kam mit der Torte in den Raum und alle haben mich mit offenen Mündern angeschaut.»

Ich kam 2015 in die Streetchurch. Mir ging es damals schlecht. Ich war auf der Suche nach einer Lehrstelle im Pflegebereich und hab ewig nichts gefunden. Meine Mutter hat dann ein Inserat von Top4Job in der Zeitung gesehen. Ich hab mich für ein Vorstellungsgespräch angemeldet. Und prompt kam ich beim ersten Gespräch zu spät und wurde wieder nach Hause geschickt. Beim zweiten Termin hat`s dann geklappt und ich bin ins Top4Job-Programm eingestiegen.

Vanessa im März 2016 beim Fotoshooting für «Gesichter und Geschichten»


Es brauchte mich zu Beginn recht Überwindung in die Streetchurch zu gehen, aber ich konnte enorm wachsen, da ich Unterstützung von allen Seiten bekam. Man wird einfach mit neuer Energie erfüllt.
Nach einer Weile begann ich mit einer Freundin jeden Mittwoch für die Leute zu kochen und da merkte ich, dass ich das mega, mega gerne mache. Ein besonderer Moment war, als ich mal eine riesige Torte gemacht habe.

«Ich kam mit der Torte in den Raum und alle haben mich mit offenen
Mündern angeschaut und applaudiert. So entstand mein Wunsch Köchin zu werden.»

Nach einem halben Jahr fand ich eine Lehrstelle als Küchenangestellte EBA und hängte im Anschluss gleich noch Köchin EFZ an. Ich hatte während der Lehre immer Begleitung durch die Streetchurch. Das hat mir sehr geholfen – auch, dass sie mit meinem Betrieb in Kontakt waren.
Gastro ist ein stressiger Bereich aber wenn du mit Leidenschaft kochst, hat diese Arbeit eine grosse Anziehungskraft. Du musst kreativ und belastbar sein. Da kann man ein stückweit reinwachsen, aber eine Grundvoraussetzung muss schon vorhanden sein.


Bei der Streetchurch habe ich schon mehrere Male bei Caterings mitgeholfen. Wie da im Team zusammen gearbeitet wurde, war einfach mega. An anderen Orten hab ich erlebt, dass jeder für sich arbeitet. Aber bei diesen Caterings hatte man zusammen Spass beim Kochen.
Mein Lehrabschluss war letztes Jahr genau während der Corona Pandemie. Trotzdem fand ich im Anschluss eine Stelle, die ich aber nur für 2 Monate behalten konnte. Die Pandemie hatte meinen Arbeitgeber zu fest mitgenommen und sie mussten Leute entlassen. Ein halbes Jahr war ich dann auf der Suche nach einer neuen Stelle, bis ich einen neuen Vertrag unterschreiben konnte. Im Gastrobereich aber leider nicht wirklich als Köchin. Ich möchte bald wieder richtig kochen – am liebsten bei der Streetchurch.

Vanessa, ehemalige Top4Job-Teilnehmerin

UPDATE
Von Januar bis März 2022 erprobt die Streetchurch das «LunchLab» in einem Pilotprojekt. Vanessa wird die erste festangestellte Köchin in der Geschichte der Streetchurch. 
www.streetchurch.ch/lunchlab

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Fachartikel

Top4Job: Beziehungsorientiert zu neuen Perspektiven.

Für viele Jugendliche ist der Schritt aus der obligatorischen Schulzeit in eine zertifizierende berufliche Grundausbildung mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Die Zahlen und Statistiken variieren, aber man kann festhalten: Es sind nicht wenige, die beim Übertritt an der Nahtstelle zwischen Sekundarstufe I und II ohne Ausbildungsplatz bleiben. Neben beruflichen Orientierungsschwierigkeiten sind es oft fehlende psychosoziale Ressourcen in mehreren Lebensbereichen und schwierige familiäre Verhältnisse, welche den erfolgreichen Eintritt ins berufliche Leben erschweren.

Neuere Forschungsergebnisse zeigen ausserdem, dass in vielen Fällen Selektionskriterien eine relevante Rolle spielen, die im bildungspolitischen Diskurs wenig Erwähnung finden. Es sind dies Faktoren wie die soziale Herkunft, das Geschlecht und die Unterstützung durch Elternhaus und Schule. Faktoren also, die sich mit dem Postulat der strukturellen Chancengleichheit nicht vereinbaren lassen und demnach keine Rolle spielen dürften, es aber im Endeffekt trotzdem tun – mit erheblichen Konsequenzen für die betroffenen Jugendlichen. Bleibt eine Anschlusslösung nach der obligatorischen Schulzeit zunächst aus, wird die Chance, in eine zertifizierende Berufsusbildung einzutreten und diese erfolgreich abzuschliessen, substanziell reduziert.

An dieser Stelle setzen Brückenangebote und Berufsvorbereitungsmassnahmen wie das Trainingsprogramm «Top4Job» der Streetchurch an. «Top4Job» bietet jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren, die den Einstieg in die Berufswelt aus diversen, oft multifaktoriellen Gründen, bisher nicht gefunden haben, eine niederschwellige und ganzheitliche Tagesstruktur mit individueller Unterstützung und Hinführung an den ersten Arbeitsmarkt. Ziel ist es, die Teilnehmerinnen in eine Lehre, ein Praktikum oder eine feste Arbeitstelle zu integrieren. Dies geschieht durch die Förderung der Lebenskompetenzen, insbesondere der Arbeits-, Selbst- und Sozialkompetenzen. Die Teilnehmerinnen gehen auf Arbeitseinsätze im Bereich Reinigung und Unterhalt und besuchen die Bildung, wo sie sich ihrem Berufswahl- und Bewerbungsprozess und der Weiterentwicklung ihrer schulischen Fähigkeiten widmen sowie an Modulen zu allgemeinen Lebenskompetenzen teilnehmen und mitwirken.Ausserdem können psychologische und sozialarbeiterische Beratung in Anspruch genommen und so psychosoziale Ressourcen (Wohnsituation, finanzielle Sicherheit, physische und psychische Gesundheit) gestärkt werden.

Ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Sozialberatung, Agogik, Andragogik und Psychologie begleitet die jungen Menschen professionell und ressourcenorientiert. Die Erfahrung zeigt, dass dieser holistische Ansatz und der Fokus auf die Beziehungorientierung, eine wichtige Grundlage für gelingende Veränderungsprozesse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen darstellt. Beziehungsorientierung heisst für uns auch ein bewusstes Angebot zur Gemeinschaft. Dies zeigt sich beispielsweise im spontanen Austausch beim Mittagessen, in ausserprogrammlichen Angeboten, wie dem wöchentlichen Sport in einer nahegelegenen Turnhalle, aber auch in der Bereitschaft, auch ausserhalb der Angebotszeiten für Anliegen und Gespräche verfügbar zu sein. Das alles geschieht bedacht und achtsam und im Wissen, dass mancher Professionalisierungsdiskurs davor warnt.

Immer wieder erleben wir, wie lohnenswert dieser Weg ist und dass junge Menschen mit schwierigen persönlichen Geschichten und Mehrfachproblematik, unter anderem dadurch ihre Motivation wiederfinden, sich auf einen Veränderungsprozess einlassen und so handlungsfähig werden und gelingendes Leben entdecken. Eine Teilnehmerin hat kürzlich erklärt, sie komme nicht nur für die Arbeit und ihre persönlichen Integrationsziele in die Streetchurch, sondern habe hier auch ein zweites Zuhause gefunden. Ich bin der Überzeugung, dass eine solche Atmosphäre des «nach Hause kommens» die perfekten Rahmenbedingungen für junge, entwurzelte Menschen schafft und sie ermutigt und befähigt, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und mit neuer Perspektive ihre Ziele zu verfolgen.

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Portraits

3 Fragen an Matthieu (24), Ehemaliger Teilnehmer «Top4Job»

Wer bist du und was machst du in der Streetchurch?
«Ich bin Matthieu und habe im Sommer meine Lehre zum Koch abgeschlossen. Vor dieser Lehre war ich 2 Jahre in der Streetchurch, da ich meine erste Lehrstelle verloren und viele private Probleme hatte. Mir wurde gesagt, dass mir hier geholfen wird… und es wurde mir geholfen.»

Das Motto der Streetchurch ist «Love can do it», was heisst das für dich?

«Das Gefühl, willkommen zu sein.

Auch wenn man in der Vergangenheit falsche Entscheidungen getroffen hat, wird man hier gut behandelt. Man kann ehrlich sein und es wird einem geholfen. So kommt man langsam aus dieser Spirale raus.»

Ich träume davon, dass in den nächsten drei Jahren…
«Die grössten Träume habe ich schon erreicht: Lehre abgeschlossen, meine Finanzen im Griff, das Privatleben läuft gut. Was will man da noch mehr? Da träume ich höchstens noch davon, in ein paar Jahren eine Familie zu gründen.»

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Kolumne

Warum wir Podcasten…

Es ist das Zeitalter der Podcasts. Jährlich steigen die Zahlen der Schweizer*innen, die dieses auditive Format des «Infotainments» mindestens einmal im Monat nutzen (Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft, 2020). Ich selbst bezeichne mich als chronischen Podcast-Hörer, wobei mich insbesondere die verschiedenen theologischen Formate der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart überzeugt und in ihren Bann gezogen haben. Offengestanden muss ich mich als echten Fanboy des einen oder anderen Podcast outen. Die Ungeduld, bis ich die neue Folge hören kann, lässt kaum einen anderen Schluss zu. Nicht selten bekommen Freunde und Familie dann meine Begeisterungsströme ab und müssen irgendwie damit klarkommen, dass ich sie dazu dränge, sich eine (gut und gerne auch einmal an die zwei Stunden dauernde) Podcast-Folge reinzuziehen. All jenen, die bei derartigen Erzählungen so gar nicht resonieren können und sich bei diesen Zeilen ganz viele Fragen stellen, sei die eine oder andere Hörprobe aus Podcasts wie «Das Wort und das Fleisch», «Karte und Gebiet – Ethik zum Selberdenken», «Worthaus», «Hossa Talk», «Ausgeglaubt», «Mindmaps», «Movecast» oder «Fluide Kirche» (um nur einige zu nennen) gegönnt.

Bei all diesen Angeboten, die es an Qualität ebenso wenig vermissen lassen wie an Veröffentlichungsfrequenz und Länge der einzelnen Folgen (da reicht auch die tägliche Zugfahrt von Basel nach Zürich und zurück nirgendwo hin), muss die Frage erlaubt sein: Warum, liebe Streetchurch, wollt jetzt auch IHR Podcasts aufnehmen und unter die Leute bringen? Passt das zu eurem Auftrag? Ist das wirklich nötig?  

Nun, die Frage ist natürlich berechtigt, aber… So viele grossartige auditive Projekte es gerade auch in der christlich-spirituellen Podcast-Welt gibt; einen Podcast, der aus der Mitte des gemeinsamen Lebens und Kircheseins ein Gespräch auf der Grundlage konkreter Begegnungen und Erfahrungen des Leben Feierns und vorwärts Stolperns entwickelt, ist mir bis heute nirgendwo begegnet. Und genau da haben wir unseren USP erkannt. Die Mission der Streetchurch heisst «Versöhnung leben». Unsere Vision ist es, dass dadurch Menschen «nach Hause kommen» können. Tisch-, Dienst- und Glaubensgemeinschaft mitten im Kreis 4 in Zürich. Kirche nahe bei und mit den Menschen, insbesondere mit denen, die um ihre Brüchigkeit und Zwiespältigkeit wissen und ihr Scheitern regelmässig vor Augen geführt bekommen. Dieses Beziehungsgeschehen prägt unseren Alltag, unsere Kultur, unser Weltbild und unseren Glauben an Gott. Es verändert die Art, wie wir über das Kirchesein denken und sprechen. Und ja, am Ende des Tages werden auch wir selbst dadurch verändert. Darum wollen wir darüber sprechen. Und darum machen wir Podcasts. Unser Wunsch ist es, dass unsere Hörer*innen einen Einblick erhalten in diese Welt und vielleicht da und dort eine Anregung für ihr eigenes Leben und Handeln mitnehmen können.  

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Theologie

Jesus – ein Nachruf

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Portraits

Nohom: «Eine Lehre gibt Selbstvertrauen.»

Die Geburt meiner Tochter hat mich stark verändert. 

«Früher hatte ich selbst noch so ein kindliches Mindset. Ich übernahm keine Verantwortung. Jetzt möchte ich meine Familie ernähren können. Mein Ziel ist es eine Lehre abzuschliessen. In den letzten Jahren habe ich eine Lehre als Dachdecker abgebrochen und habe verschiedene Sachen ausprobiert: Zimmermann, Kunststoffverarbeiter, Reifenpraktiker. Ich merkte mit der Zeit, dass ich eine Lehre brauche – nur schon um mich sicher zu fühlen. Es ginge auch ohne, aber es ist viel schwieriger Geld zu verdienen. Ich kenne Leute, die sind über 30 und fangen noch eine Lehre an. Das hat mich motiviert das Thema wieder anzugehen. Eine Lehre gibt Selbstvertrauen. Du hast etwas abgeschlossen. Du hast mit deinem Willen etwas zu Ende gebracht. Die Streetchurch hat mir auf dem Weg dahin auch schon sehr geholfen. Ich bin organisierter, habe eine Tagesstruktur und bin disziplinierter. Ich komme gerne in die Streetchurch. Sie ist für mich die beste Schule, die es gibt. Du wirst überall super unterstützt und bekommst sogar guten Kaffee. Klar – man muss auf Aufträge. Aber hey wer bist du schon, wenn du das nicht machst. Wie willst du eine Familie ernähren wenn du nicht mal Fenster putzen kannst.»

Nohom, Top4Job-Teilnehmer

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Portraits

3 Fragen an Maria (23), Praktikantin aus Deutschland

Wer bist du und was machst du in der Streetchurch?

Ich bin Maria, bin 23 Jahre alt, bin Studentin in Leipzig (Deutschland) und hier in der Streetchurch bin ich Praktikantin. Seit 10 Monaten arbeite ich mit in der Bildung. Dort schreiben wir Bewerbungen zusammen. Und ich bin im Lerncoaching, wo ich einzelnen Teilnehmenden helfe, bessere Lernstrukturen zu finden oder sich besser zu organisieren oder auch Lerntipps weitergebe.
Eins meiner prägendsten Erlebnisse hier war, als ich anfangen durfte Lerncoaching-Sessions zu planen und umzusetzen so wie ichs ein Stück weit gelernt hatte. Und ich war im Lerncoaching im Einzelgespräch und dort kamen wirklich Erfolge zustande weil wir an den ganz aktuellen schulischen Themen gearbeitet haben und Leute sind über sich hinausgewachsen.

Das feiere ich mega an diesem individuellen Setting, dass ich wirklich Zeit habe für Lerncoaching.

Und was ich zusätzlich noch mache, ist mich einbringen in die Community. Ich bin voll gerne unter Menschen und erlebe gerne Sachen. Ich hab zum Beispiel ein Streetchurch-Ausflug geplant. Im Sommer zum Wandern, im Winter zum Schlitten fahren. Dabei kann man Leute einfach beheimaten und ein Stück weit zusammen holen und gemeinsame Erlebnisse schaffen, die Beziehungen entstehen lassen.
Streetchurch habe ich tatsächlich online gefunden. Ich hab mich informiert. Was sind neue Formen von Gemeinde? Wie kann Berufsorientierung auch aussehen für mich persönlich aus meinem Studium heraus. Wo kann ich beruflich andocken. Und die Homepage hat mich dann eingeladen dazu eine Mail zu schreiben, zu fragen: «Hey habt ihr ein halbes Jahr Zeit. Kann ich dazu kommen und ich bin einfach dabei. Ich hab ein halbes Jahr Zeit und schenk die euch.»

Das Motto der Streetchurch ist «Love can do it», was heisst das für dich?

Ich glaube, dass Liebe ein Motor ist. Und dort wo Menschen beheimatet werden, dort blühen sie auf. Dort wo Menschen geliebt werden dadurch blühen sie auf und merken «Hey, ich bin was wert, ich kann was. Ich will mich dort auch ausprobieren.» Und ich glaube, dass wir Räume schaffen können, wo Leute das erleben dürfen und dass Liebe der Antrieb oder der Motor dafür ist. Das ist für mich die Bedeutung von dem Motto. Und ich wünsche mir, dass das weiter passieren darf.

Ich träume davon, dass in den nächsten drei Jahren…
Ich träume davon, dass ich in den nächsten 3 Jahren vielleicht jungen Leuten begegne, die ich begleitet hab und die mir erzählen, dass sie einen Lehrertrag unterschrieben haben oder, dass sie gemerkt haben was sie können. Das sie ihre Gaben besser herausgefunden haben. Ich träume davon auch, dass Teilnehmende, die jetzt im Top4Job-Programm sind später Teil vielleicht vom Kids-Programm sind oder merken «Hey, ich möchte Köchin werden – ich könnte doch im Restaurant arbeiten, ich könnte doch im Service in der Grow Session mithelfen». Dass dort einfach Verknüpfungen entstehen zwischen dem Top4Job und der Grow Session.
Ganz persönlich siehts bei mir so aus, dass ich wieder zurück gehe. Mein Studium beende in Deutschland und dann werde ich als Lehrerin arbeiten. Ich hoffe, dass ich in einer Förderschule arbeiten kann mit jungen Menschen auch in der Berufsorientierung. Und dann werden wir mal sehen, was an Berufen oder was an Stellen noch auf mich zu kommt. Aber ich wünsche mir einen guten Einstieg ins Berufsleben.

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News

LunchLab auf Radio LifeChannel

Radio LifeChannel berichtete über das LunchLab der Streetchurch.
https://lifechannel.ch/leben/gesellschaft/kirche-gesellschaft/wertschaetzende-tischgemeinschaft-mit-lunchlab/

Radio Life Channel 24.1.2022

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Portraits

Birgit und Grace: «Eine Vielfalt von Leuten…»

«Birgit: Ich kenne die Streetchurch seit Beginn an. Ich habe dann aber in eine Kirche in der Nähe meines Wohnortes gewechselt. Einige Jahre besuchte ich gar keine Kirche mehr. Als meine Tochter älter wurde, wollte ich ihr mal die Streetchurch zeigen. Ich hatte die Predigten von Markus schon immer als berührend und lebendig in Erinnerung, die nicht nur die junge Generation ansprachen. So kamen wir vor 3 Jahren in die Streetchuch…
Grace: …und ja, es hat mir sehr gefallen. Markus redet so authentisch. Man merkt, dass Gott im Leben vom Markus eine wichtige Rolle spielt. Es geht nicht nur um das Geschriebene in der Bibel, sondern viel um persönliche Erlebnisse im Alltag mit Gott. Verschiedenste Menschen kommen in der Streetchurch zusammen und es wird nicht verurteilt.
B: Die Streetchurch ist für mich so, wie es sein sollte. Eine Vielfalt von Leuten die eigentlich nicht zusammen passen… und doch passen sie zusammen. Ich glaube so ist der Himmel. Dann ruft halt jemand seine Meinung in den Gottesdienst rein…das macht es lebendig. Man darf einfach so sein und glauben, wie man ist. Das ist ein wichtiges Bedürfnis für mich. Es geht um deine persönliche Beziehung zu Gott und nicht um eine einengende theologische Sicht. Hier fühle ich mich frei.

Eine Vielfalt von Leuten die eigentlich nicht zusammen passen… und doch passen sie zusammen.

G: Darum habe ich diese Kirche auch so gern. Ich muss mich nicht verstellen…ich kann kommen wie ich bin und muss mich nicht verstecken. Ich hatte mit Leuten auch schon viele Gespräche über Themen, die mich zum Nachdenken brachten über die ich vorher noch gar nicht nachgedacht habe.
B: Kurz vor Covid 19 starteten in der Grow Session verschiedene Kleingruppen. Unsere Gruppe hat sich auch während Covid 19 via Video getroffen. So konnten wir uns in dieser speziellen Zeit trotzdem regelmässig austauschen. Das war super. Ich habe einen langen Arbeitsweg und des Öfteren denke ich, dass es ist mir zu viel wird, in die Grow Session zu gehen. Aber jedes Mal, wenn ich hingehe, bin ich dankbar, dass ich gegangen bin. Es gibt einen Break in der Woche.. es gibt mir Ruhe. Ich kann für die nächsten Tagen auftanken oder auch abladen….und Gott spüren. Es relativiert so vieles. Der Mittwoch ist super und es lohnt sich zu kommen. Eine Kirche die im Alltag ist…auch mit ihrer diakonischen Arbeit, welche die Streetchurch noch macht. Dies alles passt zusammen.»

Birgit (42) und Grace (17), Besucherinnen Grow Session

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Portraits

Debora: «…wo die Türen und Ohren für mich offen sind.»

«Nach meinem Lehrabbruch, einem Arbeitsintegrationsprogramm und einem Praktikum im Detailhandel landete ich per Zufall über meinen Cousin bei der Streetchurch. Er nahm Sozialberatung in Anspruch und arbeitete bei der Sozialfirma. In der Freizeit gingen wir mit der Streetchurch bowlen, Pizza essen etc. So habe ich die Leute kennengelernt und fasste Vertrauen zu ihnen. Damals startete das Top4Job und ich wurde gefragt, ob ich daran teilnehmen möchte. Die Streetchurch gab mir die notwendige Hilfe, die ich in dem Moment gebraucht hatte für meinen Weg. Ich merkte, dass die Leute hinter mir standen und mich ermutigten. Wenn ich bspw. mal nicht kam, weil ich einen Durchhänger hatte, wurde nachgefragt:

Wo bisch? Mir vermissed dich da. Was isch los? Chum verbii, dänn luegemers ah.

Ich merkte, dass ich nicht alleine bin und dass man mit mir kämpfte. So konnte ich dran bleiben und fand dann wieder eine Lehrstelle als Köchin. Während der Lehre war ich sehr froh, dass ich immer noch hierhin kommen konnte um zu lernen und auch dabei unterstützt wurde.
Ich fände es übrigens sinnvoll, wenn die Streetchurch auch im Bereich Gastro etwas anbieten würde. Es gibt einfach zu wenig Angebote in dieser Richtung und es gibt immer mehr junge Menschen, die eine Zwischenstufe brauchen, um in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen und die manchmal auch einfach einen sanften Arschtritt brauchen.
Ich selbst schloss vor 5 Jahren dann die Lehre erfolgreich ab und hatte schon neue Pläne: Ich wollte Sozialpädagogin werden. Leider hat das aus verschiedenen Gründen nicht geklappt, obwohl ich hart dafür gearbeitet habe. Zu allem Ärger kam noch dazu, dass ich merkte, dass meine Handegelenke den Job in der Küche nicht mehr mitmachen wollten. Wieder musste ich zum RAV und zum Sozialamt. Das war alles irgendwie frustrierend, nach all dem, was ich in den letzten Jahren geleistet hatte. Nun mache ich aber das Handelsdiplom. Meinen Praktikumsplatz im kaufmännischen Bereich fand ich unverhofft in dem Altersheim, in dem ich zuletzt als Köchin angestellt war. Den Traum vom Sozialbereich habe ich aber noch nicht aufgegeben und hoffe, dass ich über den kaufmännischen Bereich so doch noch reinrutschen kann.
In all den Jahren war es schön im Hinterkopf zu haben, dass, wenns überhaupt nicht mehr klappt, da noch die Streetchurch ist, wo die Türen und Ohren für mich offen sind.»

Debora, ehemalige Top4Job-Teilnehmerin

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Portraits

Andrina: «Das Zentrum soll den Leuten ein Zuhause sein.»

«Zwei Freundinnen haben mir immer wieder begeistert von der Streetchurch erzählt. Als ich dann die Stelle als Sozialarbeiterin ausgeschrieben sah, hab ich mich beworben. Ich hatte aber keinerlei Hoffnung, dass das etwas werden könnte, da ich ursprünglich FaBe gelernt hatte und mein Wechsel in den Sozialbereich erst in Planung war. Umso überraschter war ich, als ich die Rückmeldung erhielt, dass sie mich gerne kennen lernen würden… Vor gut 1,5 Jahren habe ich dann im Social CoWorking (Zentrum) und mit der Ausbildung zur Sozialbegleiterin gestartet. Daneben bin ich übrigens auch noch bei der Planung und Durchführung der Kids-Events dabei.

Ich fühle mich sehr wohl hier und mag die Vision und Werte der Streetchurch und finde es schön, dass es so viele Möglichkeiten gibt sich weiter zu entwickeln und auszuleben.

Im Zentrum schauen wir, dass die Leute sich wohl und angenommen fühlen, so wie sie sind – es soll ihnen ein Zuhause sein. Wie geht es ihnen, wo stehen sie, was müsste erledigt werden? Ich finde es schön, dass ich den Leuten auch einfach mal ein Getränk servieren kann und dabei ins Gespräch kommen kann, aber auf der anderen Seite auch bewusst mit einer Person hinsitzen, die Situation anschauen und mit ihr Schritte planen und gehen kann. Manchmal muss man auch kreative Lösungen suchen. Zum Beispiel, wenn jemand mal nicht weiter arbeiten mag mal ein Spiel zur Auflockerung machen. Du weisst jeden Tag nicht, was dich erwartet. Wie sind die Leute drauf? Wie viele sind da? Alles ist möglich. Es sind durchs Band verschiedene Leute, die vorbei kommen. Mit Ausbildung und ohne, jung und alt, auf Jobsuche oder auf Wohnungssuche… Beim Intake entscheiden wir auch, ob jemand bei uns richtig ist oder triagieren die Person allenfalls auch in ein passenderes Angebot.»

Andrina, Sozialbegleiterin i.A.

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Theologie

Weihnachten – eine Zumutung

Das Bild sitzt tief in unserem kollektiven Gedächtnis: Diese herzerwärmende Krippenszene mit Maria, das frischgeborene Jesuskindlein in ihren schützenden Armen oder bereits in der wärmenden Futterkrippe, dazu der verklärte Blick des Josefs, die andächtig frommen Hirten und das mindestens so andächtige Vieh, in Reih und Glied brav drapiert um den «holden Knaben mit lockigem Haar. Schlaf in himmlischer Ruh! Schlaf in himmlischer Ruh!» Doch, ganz unabhängig davon, wieviel Historizität man den Weihnachtsgeschichten der Evangelien zugesteht, die uns dort überlieferten Ereignissen vermitteln eine Realität, die in scharfem Kontrast zu unseren süsslich-romantisierenden Krippenliedern stehen. Was uns in den Berichten rund um die Geburt Jesu überliefert wird, ist im wahrsten Sinn des Wortes skandalös, anstössig, eine einzig grosse Zumutung für alle Beteiligten. Beginnen wir mit Maria, der «jungen Frau». Auch wenn dies der ursprüngliche Text nicht hergibt, war sie wohl auch Jungfrau, wohlerzogen und wohlbehütet im Schoss ihrer Familie. Verlobt wurde sie mit grosser Wahrscheinlichkeit als Teenager, vielleicht bereits im zarten Alter von zwölf Jahren. Als der himmlische Bote ihr die Schwangerschaft verkündet, war sie kaum viel älter als vierzehn, höchstens sechzehn. Dabei war ihre sexuelle Unversehrtheit die unverhandelbare Voraussetzung für ein unbescholtenes Leben an der Seite von Josef. War… Denn unverhofft bricht das bereits erwähnte himmlische Wesen in ihr Leben ein und beendet ungefragt und brutal ihr bisheriges traditionell unauffälliges Leben, das sie als heiratsfähiges Mädchen zu leben hatte.

Der Engel bringt keinen Frieden
Was Maria auch immer sah und hörte, es war nicht von dieser Welt und erschreckte sie zutiefst. Es würde uns wohl nicht anders ergehen. Die Worte des Engels müssen Maria wie Hammerschläge getroffen haben. Heiliger Geist werde über sie kommen und sie werde schwanger werden, einen Sohn zur Welt bringen, Jesus sollte sie ihn nennen, Sohn des Höchstens, Gottes Sohn… Versetzen wir uns in Maria den Teenager, wie sollte sie begreifen wie ihr und was ihr gerade geschah. Aber eins ahnte sie mit Sicherheit: Wenn das eben Verkündete, Ungeheuerliche eintreffen sollte, dann war’s das gewesen mit dem künftigen Leben an der Seite ihres Verlobten. Denn die unabwendbare Konsequenz der Ankündigung einer – ganz offensichtlich – illegitimen Schwangerschaft war ihr Ende. Nicht nur das Ende ihrer sozialen Stellung und der Beziehung mit Josef, es war das Ende von allem. Sie war verlobt, rechtlich galt sie als verheiratet. Schwanger zu sein von einem anderen Mann bedeutete in ihrer Situation Ehebruch. Maria drohte die familiäre und gesellschaftliche Ächtung, schlimmstenfalls gar die Steinigung.
Der Engel ging, Maria blieb. Schwanger. Wie verheissen. Nach den ersten Monaten, in denen Maria vielleicht noch zu hoffen wagte, dass die Erscheinung nur ein böser Traum gewesen sein mochte, wurde die Schwangerschaft zur sichtbaren Gewissheit. Irgendwann liess sich der Bauch nicht mehr verbergen. Spätesten zu diesem Zeitpunkt musste sie Josef die unglaubliche Geschichte zumuten. Zu überzeugen vermochte sie ihn nicht. Wen wundert’s. «Gott macht keine solche Dinge mit Leuten wie uns», ist die lapidare Reaktion des schockierten Josefs in einer Bibelverfilmung und widerspiegelt wohl durchaus naheliegend die Gefühlslage eines abgrundtief enttäuschten Bräutigams. Die «Mission impossible», den geerdeten jungen Mann von der Wahrheit dieser verrückten Geschichte zu überzeugen und ihn davon abzuhalten, seine schwangere Verlobte aus der Verlobung zu entlassen, musste wiederum der Himmel übernehmen. So erschien ein Engel auch Josef und dieser schluckte die bittere Pille, die ihm der Bote zukommen liess. Was blieb ihm auch anderes übrig? Vielleicht, kam da die Reise nach Bethlehem gerade rechtzeitig. Rom wollte, dass sich jeder im Heimatort in eine Steuerliste eintragen liesse. Gewohnt den Anordnungen der römischen Besatzungsmacht zu gehorchen, machte sich Josef mit der inzwischen hochschwangeren Maria auf die Reise von Nazareth nach Bethlehem.

Eine miserable göttliche Planung
Hätte Maria das Vorhaben mit einer Gynäkologin besprochen, wäre sie nie auf den Esel gehockt. Vor ihnen lagen gegen 160 Kilometer Wegstrecke über Gebirge und durch Wüste, auf unbewachten, gefährlichen Schotterpisten. Nachts sanken die Temperaturen in den Minusbereich, tagsüber brannte die Sonne unbarmherzig. Und das Tag für Tag, Nacht für Nacht, zwei, vielleicht sogar drei Wochen lang… Was für eine Zumutung. Die Frage muss erlaubt sein: Hätte der allmächtige Gott die Umstände für die Geburt seines Sohnes nicht besser planen können? Schlechtes Timing der himmlischen Logistik. Und in Bethlehem wartete bereits die nächste Zumutung, nämlich das nackte Chaos. Die Infrastruktur war in dem kleinen Kaff aufgrund der vielen zusätzlichen Menschen an ihre Grenzen gekommen und offensichtlich war das heilige Paar schlicht zu spät für einen Platz in einer einigermassen anständigen Unterkunft. Was übrig blieb war ein Stall, wahrscheinlich eher ein Felsloch, in dem man Tiere versorgte. Unter diesen unzumutbaren hygienischen Umständen, inmitten des Mistes von schnaubendem Vieh, gebiert der Teenager Maria ihr erstes Kind. Und nicht irgendein Kind, nein, den Sohn Gottes. Wäre die Szene durch tausendfache Wiederholung nicht dermassen abgeschliffen und uns vertraut, wir würden das Geschehen, ohne zu zögern, als grotesk bezeichnen. Und wiederum kann man sich des Eindrucks nicht erwehren: Eine Geburt unter solch prekären Umständen wirft das denkbar schlechteste Licht auf die göttliche Planung, eines Gottessohnes schlicht unwürdig. Wie Geburten im menschlichen Hochadel – die doch zumindest als Referenzwert für die Geburt des Gottessohnes gelten könnten – akribisch genau und detailversessen geplant und zelebriert werden, das demonstriert niemand perfekter als der britische Hof: Im leegeräumten Flügel des besten Spitals in London unter Wahrung höchster Sicherheitsstandards und in Gegenwart der erfahrensten Ärztinnen, erblickt der blaublütige Nachwuchs das Licht der Welt… Was für ein Kontrast zum stinkenden, blökenden Umfeld des Felsenlochs in Bethlehem. Nicht auszuschliessen, dass Maria überdies während der Entbindung mehr oder weniger sich selbst überlassen war, bestenfalls unterstützt von älteren Frauen.

Die Geburt Gottes bringt Schrecken und Tod
So sehr man der jungen Familie eine sorgenfreie Rückkehr nach Nazareth gegönnt hätte, gab es wohl keine ausgedehnte Verschnaufpause vor der nächsten Zumutung: Zwar lässt sich der exakte Zeitpunkt der folgenden Ereignisse aus dem Text bei Matthäus nicht eindeutig bestimmen doch wird deutlich, dass sich erneut dunkle Wolken zusammenziehen: Josef erscheint im Traum erneut ein Engel, der ihn auffordert mit Maria und Jesus nach Ägypten zu fliehen, da der paranoide Herodes versuchen würde, ihr Kind umzubringen… Wie wohl Maria auf diese Ankündigung reagiert hat? Panisch, zumindest sorgenvoll, gestresst? Wem würde es nicht gleich ergehen, denn vor ihnen stand erneut eine unglaublich strapaziöse Reise in eine ungewisse Zukunft als Flüchtlinge in einem fremden Land, in dem sie niemand mit offenen Armen willkommen heissen würde. Das folgende traumatische Kapitel der postnatalen Weihnachtsgeschichte kennen wir: Die Eltern entkommen mit dem Jesuskind den Schergen des Herodes, nicht aber die anderen Buben in Bethlehem und Umgebung. Die Abschlachtung von ungezählten Knaben unter zwei Jahren ist dermassen verstörend, dass dieser fürchterliche Horror kaum je in einer Weihnachtserzählung erwähnt wird. Doch auch dies gehört zur weihnachtlichen Botschaft: Gott kommt in die Welt und mit ihm Tod, Verderben und unsägliches Leid. Kinder werden ermordet, Mütter verzweifeln, Väter stürzen in bodenlose Trauer.

Weihnachten kompakt: Schmerz, Leid, Tod und Trauer
Weihnachten ist anstössig. Skandalös. Eine unerträgliche Zumutung. – Dies ist die Weihnachtsgeschichte, wenn wir es wagen, sie vom jahrhundertalten religiösen Kitsch befreit und ungeschönt zu hören. Noch einmal verdichtet zusammengefasst: Ein weiblicher Teenager wird ungewollt schwanger, was sie in ihrem religiös und kulturell konservativen Lebensumfeld in akute Lebensgefahr bringt. Dank der, nicht ganz freiwilligen, Barmherzigkeit ihres Verlobten entkommt die junge Frau der sozialen Verbannung oder Schlimmerem, doch für ihre Familie ist sie eine Schande und für ihren Mann eine Demütigung. Hochschwanger, von ihrem Umfeld verurteilt und geschmäht, wird die junge Frau einer gefährlichen und hochstrapaziösen Reise ausgesetzt, an deren Ende sie unter unwürdigen Umständen gebären muss. Nach einer unbestimmten Zeit sind die Eltern gezwungen, mit dem kleinen Jesus zu fliehen, währenddessen am Geburtsort – wegen ihrem Kind, dem menschgewordenen Gott – an einer unbekannten Anzahl von Kleinkindern ein Massaker verübt wird und andere Mütter, Väter und Verwandte in unvorstellbares Leid gestürzt werden. Das ist Weihnachten.

Erlösung durch Schmerz und Leid – das Geheimnis des Glaubens beginnt mit der Weihnachtsgeschichte
Eigentlich bleibt nur Sprachlosigkeit. Wenn da nicht die eine Frage brennen würde: Warum all diese Zumutungen, warum all das unfassbare Leid und all der Schmerz, wenn Gott als Mensch geboren wird? Vielleicht spüren wir, dass die Botschaft hinter der vordergründigen Geschichte, das Eigentliche, das da geschieht, zu gross ist, als dass wir es wirklich oder auch nur annähernd zu verstehen vermögen. Darum sollten wir Antworten lediglich erahnen: Es sind Antworten, die wir ausgerechnet im Betrachten von menschlichem Schmerz und Leid entdecken, denn es ist eine menschliche, vielleicht sogar die menschlichste aller menschlichen Erfahrungen: Schmerz wird durch menschliche Nähe gelindert. Der Schmerz des aufgeschlagenen Knies wird auf dem Schoss der Mutter weniger, die Trauer über die zerbrochene Beziehung in den Armen der Freundin getröstet. Niemals erleben wir mehr menschliche Nähe und Verbundenheit als im Teilen unseres Schmerzes und unseres Leids. Und so ahnen wir: Weil Gott uns nahekommen will, um unseren Schmerz mit uns zu teilen, zu lindern und letztlich zu überwinden, darum kommt er uns so nahe wie nur möglich, darum wird er Mensch. Doch ebenso wird uns ahnend bewusst, dass im leidvollen Geschehen der Weihnachtsgeschichte, im Moment der Menschwerdung Gottes, das gebrochene Wesen des Menschen in seiner ganzen leidvollen und leidverursachenden Verlorenheit offenbar wird. In der Ankunft Gottes, der Geburt Jesu, trifft das Heile auf das Unheile oder besser: der Heilige offenbart das Unheile der Unheiligen. Und so wird der abgründige Schrecken der Gottverlorenheit unserer Welt im so vielfältigen Leid und Schmerz der Weihnachtsgeschichte von den beteiligten Menschen erfahren und durchlitten. Doch Weihnachten ist erst der Anfang der Geschichte und so ist es eines der tiefsten Geheimnisse des christlichen Glaubens, das uns nicht erst im Kreuz Jesu, sondern bereits in der Geburtsgeschichte entgegenkommt: Erlösung geschieht durch die dunkle Notwendigkeit des Leidens, des geteilten Leidens und darum des Mitleidens. Erlösung geschieht, indem Gott sich selbst dem Schmerz und dem Leid des Menschseins durch seine Menschwerdung aussetzt und Schmerz und Leid so mit uns Menschen teilt, um es in letzter Konsequenz – durch das Kreuz hindurch – in seiner Auferstehung zu überwinden. Durch seine erlösende Teilhabe – «und das Wort wurde Fleisch» – an unserem Schmerz und Leid, werden wir aber auch Teil von Gottes Leiden. Genau dies musste Maria vom ersten Moment der schockierenden, ihr Leben gefährdenden Verkündigung, über die Geburt unter misslichsten Bedingungen, bis hin zum letzten verzweifelten Schrei ihres Sohnes am Kreuz erleben oder treffender: erleiden. So wurde sie zur Mitleidenden Gottes. Und ebenso sagt uns beim Betrachten der Lebensgeschichte Jesu das Geheimnis des Glaubens: Im Menschen Jesus leidet Gott an uns und mit uns – und dies ab dem ersten Moment der Geburt bis zum Sterben am Kreuz. So wie Gott an uns und mit uns Menschen leidet, so wird für Maria und für jeden Glaubenden das Leiden Gottes zum eigenen Leiden. Seitdem Menschen dem Geschehen im Evangelium begegnen, leiden sie mit Gott in seiner Menschwerdung; in seinem leidvollen Werdegang durch eine zerbrochene Schöpfung, ebenso ab dem ersten Moment der Menschwerdung unter leidvollen Umständen bis zum elenden Tod am Kreuz. Doch – und dies ist das innerste Geheimnis des christlichen Glaubens – ohne dieses Leiden in der Menschwerdung Gottes gäbe es keine letztendliche Überwindung von Leid und Tod, die durch das Kreuz und die Auferstehung des Menschen- und Gottessohnes Jesus Christus für uns ermöglicht wurde. So sehr die Menschwerdung Gottes unlösbar mit menschlichem Leid und Schmerz verwoben ist, so sehr darf uns im Betrachten der Weihnachtsgeschichte bewusstwerden: Das Hineinkommen Gottes in unsere Welt erzeugt Schmerz und Leid, ja sogar den Tod. Doch gerade dieses leidvolle Hineinkommen eröffnet die Perspektive für das letztendliche Überwinden von Schmerz, Leid und Tod. Vielleicht gelingt es uns, in diesem Jahr beim Anblick der Krippe und dem damit verbundenen so vielfältigen Schmerz das vielfach durchlebte Leid der letzten beiden Pandemiejahre in einem anderen, tröstlichen Licht zu sehen. Weil Gott mitleidender Mensch wird, haben weder Leid noch Geschrei noch Schmerz, ja selbst nicht der Tod das letzte Wort.

Pfr. Markus Giger, Weihnachten 2021, Zürich

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Portraits

Jason: «Ich bin angekommen und kann mich weiter entwickeln.»

«Nach meiner Lehre zum Hauswirtschaftspraktiker EBA und der anschliessenden RS wollte ich zuerst einmal andere Erfahrungen sammeln. Ich arbeitete im Detailhandel, im Security-Bereich, als Müllmann, in der Küche und zuletzt noch in der Logistik. Aber nirgends fühlte ich mich so richtig am richtigen Ort. Meine Eltern wünschten sich für mich, dass ich meinen Weg finden würde und empfahlen mir das Top4Job, das sie durch ein Zeitungsinserat entdeckt hatten. Ehrlich gesagt hatten sie mir dies schon Jahre zuvor empfohlen, aber ich wollte zuerst andere Wege ausprobieren. 2018 startete ich dann ins Top4Job, das mir übrigens sehr gefiel, und fand auch eine Anschlusslösung: Eine Lehre als Fachmann Betreuung – also in einem komplett anderen Bereich. Aber ich konnte den an mich gestellten Ansprüchen nicht genügen und habe daher sehr viel gearbeitet. Das war unbefriedigend und es kam zu einem Lehrabbruch und ich absolvierte zunächst mal meinen WK. Ich kam dann wieder in die Streetchurch – dieses Mal aber in die Sozialberatung. Dabei hörte ich davon, dass eine Lehrstelle als Fachmann Betriebsunterhalt bei der Streetchurch offen sei. Ich wurde hellhörig. Das wäre eigentlich back to the roots – da anknüpfen, wo ich vor vielen Jahren mit meiner EBA-Lehre begonnen hatte und eigentlich happy war. Und dann noch an einem Ort, bei dem ich wusste, dass ich mich wohl fühlen würde. Natürlich habe ich mich um die Stelle beworben.

Auch Reinigungsarbeiten gehören zu Jasons Aufgaben.

Im August 2020 konnte ich dann mit der Lehre starten. Ich bin mega froh, dass ich mich dafür entschieden und die Stelle auch bekommen habe. Ich bin angekommen und kann mich weiter entwickeln.

«Ich habe die Freude am Lernen wieder gefunden.»

Im schulischen Bereich habe ich meine grössten Knacknüsse, aber durch meine Motivation konnte ich mich verbessern und das motiviert mich wiederum. Mir gefällt der Bezug zu Theorie und Praxis und ich sehe laufend, wie ich mich verbessere.
Nach der Lehre möchte ich zunächst auf dem Beruf arbeiten und mich dann zum Hauswart weiterbilden… und vielleicht wird’s ja dann auch noch etwas mit meinem Kindheitstraum von der Schauspielschule … aber zuerst will ich einmal die Lehre meistern.»

Jason, Lernender Fachmann Betriebsunterhalt EFZ