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Top4Job: Beziehungsorientiert zu neuen Perspektiven.

Für viele Jugendliche ist der Schritt aus der obligatorischen Schulzeit in eine zertifizierende berufliche Grundausbildung mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Die Zahlen und Statistiken variieren, aber man kann festhalten: Es sind nicht wenige, die beim Übertritt an der Nahtstelle zwischen Sekundarstufe I und II ohne Ausbildungsplatz bleiben. Neben beruflichen Orientierungsschwierigkeiten sind es oft fehlende psychosoziale Ressourcen in mehreren Lebensbereichen und schwierige familiäre Verhältnisse, welche den erfolgreichen Eintritt ins berufliche Leben erschweren.

Neuere Forschungsergebnisse zeigen ausserdem, dass in vielen Fällen Selektionskriterien eine relevante Rolle spielen, die im bildungspolitischen Diskurs wenig Erwähnung finden. Es sind dies Faktoren wie die soziale Herkunft, das Geschlecht und die Unterstützung durch Elternhaus und Schule. Faktoren also, die sich mit dem Postulat der strukturellen Chancengleichheit nicht vereinbaren lassen und demnach keine Rolle spielen dürften, es aber im Endeffekt trotzdem tun – mit erheblichen Konsequenzen für die betroffenen Jugendlichen. Bleibt eine Anschlusslösung nach der obligatorischen Schulzeit zunächst aus, wird die Chance, in eine zertifizierende Berufsusbildung einzutreten und diese erfolgreich abzuschliessen, substanziell reduziert.

An dieser Stelle setzen Brückenangebote und Berufsvorbereitungsmassnahmen wie das Trainingsprogramm «Top4Job» der Streetchurch an. «Top4Job» bietet jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren, die den Einstieg in die Berufswelt aus diversen, oft multifaktoriellen Gründen, bisher nicht gefunden haben, eine niederschwellige und ganzheitliche Tagesstruktur mit individueller Unterstützung und Hinführung an den ersten Arbeitsmarkt. Ziel ist es, die Teilnehmerinnen in eine Lehre, ein Praktikum oder eine feste Arbeitstelle zu integrieren. Dies geschieht durch die Förderung der Lebenskompetenzen, insbesondere der Arbeits-, Selbst- und Sozialkompetenzen. Die Teilnehmerinnen gehen auf Arbeitseinsätze im Bereich Reinigung und Unterhalt und besuchen die Bildung, wo sie sich ihrem Berufswahl- und Bewerbungsprozess und der Weiterentwicklung ihrer schulischen Fähigkeiten widmen sowie an Modulen zu allgemeinen Lebenskompetenzen teilnehmen und mitwirken.Ausserdem können psychologische und sozialarbeiterische Beratung in Anspruch genommen und so psychosoziale Ressourcen (Wohnsituation, finanzielle Sicherheit, physische und psychische Gesundheit) gestärkt werden.

Ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Sozialberatung, Agogik, Andragogik und Psychologie begleitet die jungen Menschen professionell und ressourcenorientiert. Die Erfahrung zeigt, dass dieser holistische Ansatz und der Fokus auf die Beziehungorientierung, eine wichtige Grundlage für gelingende Veränderungsprozesse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen darstellt. Beziehungsorientierung heisst für uns auch ein bewusstes Angebot zur Gemeinschaft. Dies zeigt sich beispielsweise im spontanen Austausch beim Mittagessen, in ausserprogrammlichen Angeboten, wie dem wöchentlichen Sport in einer nahegelegenen Turnhalle, aber auch in der Bereitschaft, auch ausserhalb der Angebotszeiten für Anliegen und Gespräche verfügbar zu sein. Das alles geschieht bedacht und achtsam und im Wissen, dass mancher Professionalisierungsdiskurs davor warnt.

Immer wieder erleben wir, wie lohnenswert dieser Weg ist und dass junge Menschen mit schwierigen persönlichen Geschichten und Mehrfachproblematik, unter anderem dadurch ihre Motivation wiederfinden, sich auf einen Veränderungsprozess einlassen und so handlungsfähig werden und gelingendes Leben entdecken. Eine Teilnehmerin hat kürzlich erklärt, sie komme nicht nur für die Arbeit und ihre persönlichen Integrationsziele in die Streetchurch, sondern habe hier auch ein zweites Zuhause gefunden. Ich bin der Überzeugung, dass eine solche Atmosphäre des «nach Hause kommens» die perfekten Rahmenbedingungen für junge, entwurzelte Menschen schafft und sie ermutigt und befähigt, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und mit neuer Perspektive ihre Ziele zu verfolgen.

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3 Fragen an Maria (23), Praktikantin aus Deutschland

Wer bist du und was machst du in der Streetchurch?

Ich bin Maria, bin 23 Jahre alt, bin Studentin in Leipzig (Deutschland) und hier in der Streetchurch bin ich Praktikantin. Seit 10 Monaten arbeite ich mit in der Bildung. Dort schreiben wir Bewerbungen zusammen. Und ich bin im Lerncoaching, wo ich einzelnen Teilnehmenden helfe, bessere Lernstrukturen zu finden oder sich besser zu organisieren oder auch Lerntipps weitergebe.
Eins meiner prägendsten Erlebnisse hier war, als ich anfangen durfte Lerncoaching-Sessions zu planen und umzusetzen so wie ichs ein Stück weit gelernt hatte. Und ich war im Lerncoaching im Einzelgespräch und dort kamen wirklich Erfolge zustande weil wir an den ganz aktuellen schulischen Themen gearbeitet haben und Leute sind über sich hinausgewachsen.

Das feiere ich mega an diesem individuellen Setting, dass ich wirklich Zeit habe für Lerncoaching.

Und was ich zusätzlich noch mache, ist mich einbringen in die Community. Ich bin voll gerne unter Menschen und erlebe gerne Sachen. Ich hab zum Beispiel ein Streetchurch-Ausflug geplant. Im Sommer zum Wandern, im Winter zum Schlitten fahren. Dabei kann man Leute einfach beheimaten und ein Stück weit zusammen holen und gemeinsame Erlebnisse schaffen, die Beziehungen entstehen lassen.
Streetchurch habe ich tatsächlich online gefunden. Ich hab mich informiert. Was sind neue Formen von Gemeinde? Wie kann Berufsorientierung auch aussehen für mich persönlich aus meinem Studium heraus. Wo kann ich beruflich andocken. Und die Homepage hat mich dann eingeladen dazu eine Mail zu schreiben, zu fragen: «Hey habt ihr ein halbes Jahr Zeit. Kann ich dazu kommen und ich bin einfach dabei. Ich hab ein halbes Jahr Zeit und schenk die euch.»

Das Motto der Streetchurch ist «Love can do it», was heisst das für dich?

Ich glaube, dass Liebe ein Motor ist. Und dort wo Menschen beheimatet werden, dort blühen sie auf. Dort wo Menschen geliebt werden dadurch blühen sie auf und merken «Hey, ich bin was wert, ich kann was. Ich will mich dort auch ausprobieren.» Und ich glaube, dass wir Räume schaffen können, wo Leute das erleben dürfen und dass Liebe der Antrieb oder der Motor dafür ist. Das ist für mich die Bedeutung von dem Motto. Und ich wünsche mir, dass das weiter passieren darf.

Ich träume davon, dass in den nächsten drei Jahren…
Ich träume davon, dass ich in den nächsten 3 Jahren vielleicht jungen Leuten begegne, die ich begleitet hab und die mir erzählen, dass sie einen Lehrertrag unterschrieben haben oder, dass sie gemerkt haben was sie können. Das sie ihre Gaben besser herausgefunden haben. Ich träume davon auch, dass Teilnehmende, die jetzt im Top4Job-Programm sind später Teil vielleicht vom Kids-Programm sind oder merken «Hey, ich möchte Köchin werden – ich könnte doch im Restaurant arbeiten, ich könnte doch im Service in der Grow Session mithelfen». Dass dort einfach Verknüpfungen entstehen zwischen dem Top4Job und der Grow Session.
Ganz persönlich siehts bei mir so aus, dass ich wieder zurück gehe. Mein Studium beende in Deutschland und dann werde ich als Lehrerin arbeiten. Ich hoffe, dass ich in einer Förderschule arbeiten kann mit jungen Menschen auch in der Berufsorientierung. Und dann werden wir mal sehen, was an Berufen oder was an Stellen noch auf mich zu kommt. Aber ich wünsche mir einen guten Einstieg ins Berufsleben.

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Jason: «Ich bin angekommen und kann mich weiter entwickeln.»

«Nach meiner Lehre zum Hauswirtschaftspraktiker EBA und der anschliessenden RS wollte ich zuerst einmal andere Erfahrungen sammeln. Ich arbeitete im Detailhandel, im Security-Bereich, als Müllmann, in der Küche und zuletzt noch in der Logistik. Aber nirgends fühlte ich mich so richtig am richtigen Ort. Meine Eltern wünschten sich für mich, dass ich meinen Weg finden würde und empfahlen mir das Top4Job, das sie durch ein Zeitungsinserat entdeckt hatten. Ehrlich gesagt hatten sie mir dies schon Jahre zuvor empfohlen, aber ich wollte zuerst andere Wege ausprobieren. 2018 startete ich dann ins Top4Job, das mir übrigens sehr gefiel, und fand auch eine Anschlusslösung: Eine Lehre als Fachmann Betreuung – also in einem komplett anderen Bereich. Aber ich konnte den an mich gestellten Ansprüchen nicht genügen und habe daher sehr viel gearbeitet. Das war unbefriedigend und es kam zu einem Lehrabbruch und ich absolvierte zunächst mal meinen WK. Ich kam dann wieder in die Streetchurch – dieses Mal aber in die Sozialberatung. Dabei hörte ich davon, dass eine Lehrstelle als Fachmann Betriebsunterhalt bei der Streetchurch offen sei. Ich wurde hellhörig. Das wäre eigentlich back to the roots – da anknüpfen, wo ich vor vielen Jahren mit meiner EBA-Lehre begonnen hatte und eigentlich happy war. Und dann noch an einem Ort, bei dem ich wusste, dass ich mich wohl fühlen würde. Natürlich habe ich mich um die Stelle beworben.

Auch Reinigungsarbeiten gehören zu Jasons Aufgaben.

Im August 2020 konnte ich dann mit der Lehre starten. Ich bin mega froh, dass ich mich dafür entschieden und die Stelle auch bekommen habe. Ich bin angekommen und kann mich weiter entwickeln.

«Ich habe die Freude am Lernen wieder gefunden.»

Im schulischen Bereich habe ich meine grössten Knacknüsse, aber durch meine Motivation konnte ich mich verbessern und das motiviert mich wiederum. Mir gefällt der Bezug zu Theorie und Praxis und ich sehe laufend, wie ich mich verbessere.
Nach der Lehre möchte ich zunächst auf dem Beruf arbeiten und mich dann zum Hauswart weiterbilden… und vielleicht wird’s ja dann auch noch etwas mit meinem Kindheitstraum von der Schauspielschule … aber zuerst will ich einmal die Lehre meistern.»

Jason, Lernender Fachmann Betriebsunterhalt EFZ

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Ausbildungsbegleitung: Weil 20% Lehrvertragsauflösungen zu viel sind.

Ein gelingender Übergang von der Schule ins Berufsleben stellt für viele junge Menschen eine grosse Herausforderung dar. Insbesondere an der Nahtstelle zwischen den Sekundarstufen I und II stossen viele Jugendliche auf erhebliche Schwierigkeiten. Rund 20% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bleibt der direkte Übergang in die berufliche Grundbildung verwehrt.[1]

Dass die Suche nach dem richtigen Lehrberuf und dem passenden Ausbildungsbetrieb für viele junge Menschen ein steiniger Weg ist, erlebe ich im Berufsvorbereitungsprogramm «Top4Job» der Streetchurch täglich. Absage folgt Absage, Misserfolg folgt Misserfolg. Manche Betriebe geben auf die per Mail oder Lehrstellenplattform eingereichte Bewerbung nicht einmal eine Antwort. Dass da die Frustration bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen wächst und die Hoffnung der Perspektivlosigkeit weicht, ist mehr als nur verständlich. Klappt es dann irgendwann doch noch mit der Lehrzusage, ist das natürlich ein Grund zum Feiern. Und doch: Ein unterzeichneter Lehrvertrag in der Tasche ist noch kein Garant dafür, dass der Lehrabschluss nach zwei (EBA), drei oder vier (EFZ) Jahren auch tatsächlich gelingt. Schweizweit wird jährlich mehr als jeder fünfte Lehrvertrag vorzeitig aufgelöst.[2] Bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund ist es gar jeder vierte. Gewisse Branchen verdienen sich dabei keine guten Noten. So wird durchschnittlich mehr als jede dritte (!) angefangene Coiffeurlehre vorzeitig aufgelöst.

Die Gründe sind, wie so oft, vielschichtiger Natur. Nicht selten spielen schwierige Familiensysteme und fehlende Unterstützung von Seiten der Eltern eine wesentliche Rolle.[3] Diese Unterstützung ist insbesondere bei der beruflichen Orientierung von entscheidender Bedeutung. Wo sie fehlt, droht den betroffenen Jugendlichen in der Berufswahl die Überforderung und demnach die berufliche Orientierungslosigkeit. Denn die Lehrpersonen in der Sekundarschule vermögen vieles, aber eine Klasse mit 20 und mehr Schülerinnen und Schülern individuell in der Berufswahl und im Bewerbungsprozess zu begleiten, ist eine Herkulesaufgabe. Neben der zu wenig tiefen Auseinandersetzung mit der Berufswahl sind psychische Belastungen ein entscheidender Faktor für Lehrvertragsauflösungen [4]. Unsere Erfahrung zeigt zudem, dass auch zwischenmenschliche Probleme mit dem/der Berufsbildner*in und branchen- oder betriebsbezogene Missstände in der Berufsbildung immer wieder Grund für das frühzeitige Beenden einer Ausbildung sind.

Um junge Menschen, die unter anderem vom Berufsvorbereitungsprogramm «Top4Job» in eine Lehre einsteigen, mit diesen Herausforderungen nicht allein zu lassen, begleiten und unterstützen wir sie seit einigen Jahren auch während der Ausbildung nach ihrem individuellen Bedarf. Im Sommer 2020 haben wir diese Nachbetreuung noch einmal professionalisiert, konzeptionell überarbeitet, Workshops mit Lernenden und Fachleuten durchgeführt, sowie Ausbildungsbetriebe und Ämter befragt. Als Ergebnis dieses Prozesses ist das Angebot «Ausbildungsbegleitung» entstanden. Angelehnt an das Konzept der «Supported Education» begleiten wir die jungen Menschen während ihrer Ausbildung durch ein Jobcoaching. Der Job Coach unterstützt die lernende Person bei arbeitsbezogenen Fragen und im Umgang mit Stress und Konflikten, fördert die Zusammenarbeit mit dem Ausbildungsbetrieb und berät den/die Berufsbildner*in bei anstehenden Fragen und Schwierigkeiten. Neben dem Jobcoaching umfasst die Ausbildungsbegleitung ein Case Management und kann durch ein berufsschulergänzendes Lerncoaching sowie eine psychologische Begleitung und Beratung ergänzt werden. Die Prinzipien, die uns dabei leiten, sind dieselben, die unserer Arbeit auch in anderen Angeboten zugrunde liegen: Beziehungsorientierung, Individualität, Ganzheitlichkeit und Langfristigkeit.

Auch wenn diese Begleitung den Abschluss der Berufslehre nicht garantiert: Ich bin überzeugt, dass viele junge Menschen dadurch die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, um erfolgreich durch die Ausbildung zu kommen und im Anschluss daran im Erwerbsleben Fuss zu fassen. Es ist mir deshalb ein grosses Anliegen, dass dieses Angebot an Bekanntheit gewinnt und sich so auch die Quote der erfolgreichen Lehrabschlüsse und Berufseinstiege verbessern darf.


[1] Landert, Charles & Eberli, Daniela (2015): Bestandsaufnahme der Zwischenlösungen an der Nahtstelle I. Bericht. Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI).

[2] Bundesamt für Statistik (2019): Lehrvertragsauflösung, Wiedereinstieg, Zertifikationsstatus. Resultate zur dualen beruflichen Grundbildung (EBA und EFZ).

[3] Duc, Barbara; Lamamra, Nadia; Lovirc, Ivana & Mellone, Valeria (2013): Lehrabruch – was nun? Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB IFFP IUFFP).

[4] Sabatella, Filomena & von Wyl, Agnes (2017): Supported Education in der Schweiz. Hilfe für junge Erwachsene beim Übertritt in das Berufsleben. ZHAW, Angewandte Psychologie.

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Top4Job – Emmanuel erzählt von seinen Erfahrungen.

Interview mit Emmanuel (ehemaliger Top4Job-Teilnehmer).

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Top4Job – Filip und Macieli erzählen von ihren Erfahrungen.

Interviews mit Filip (Top4Job-Teilnehmer) und Macieli (ehemalige Top4Job-Teilnehmerin).

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Streetchurch-Talk Nr. 1 – Jayden und Jaël

Jayden (Top4Job-Teilnehmer) hat aus Eigeninitiative die Streetchurch-Talks gestartet. Im ersten Video interviewt er Jaël (Leiterin Begleitetes Wohnen).

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3 Fragen an Elvir (26), Kulinarik-Team und Teilnehmer Aufbautraining

Wer bist du und was machst du in der Streetchurch?
«Mein Name ist Elvir, bin 26 Jahre alt und seit 2 Jahren bin ich in der Streetchurch.
Momentan mache ich ein Aufbautraining in der Sozialfirma. Das heisst ich baue lansgam wieder auf, da ich lange nicht mehr im ersten Arbeitsmarkt gearbeitet habe.
Mit der Sozialfirma gehen wir Liegenschaften reinigen, täglich desinfiziere ich alle Tische und Büros.»

Das Motto der Streetchurch ist «Love can do it», was heisst das für dich?

«“Love can do it“ steht für mich für sehr grossen Zusammenhalt. Das habe ich hier sehr schnell erlebt. Ich war Anfangs sehr skeptisch gegenüber dem Ganzen.
Aber das ist schnell verflogen je öfters ich da gewesen bin. Ich habe gemerkt, dass es den Leuten hier egal ist woher man kommt und was du für eine Geschichte hast.
Es geht vor allem drum diese Liebe und den Zusammenhalt zu zeigen und
es war für mich ein Neuanfang.
Ich war im Zentrum am Bewerbungen schreiben als mich mal jemand gefragt hat,
ob ich Lust hätte mitzukochen und bei den Grow Sessions dabei zu sein.
Das hat für mich eine neue Sicht auf alles eröffnet… es ist wie eine grosse Familie.
Ich habe viele neue Bekanntschaften gemacht, was ich so nicht erwartet hätte,
da ich eher ein ruhigerer Mensch bin.
Dann ist da auch noch das Camp, das jedes Jahr statt findet – wenns dann wieder möglich ist. Das ist auch etwas ganz tolles. Verschiedene Leute, nicht nur in meinem Alter sondern auch älter oder auch mit Kindern, fahren zusammen ins Camp. Das war ein sehr sehr schönes Erlebnis, das ich nicht mehr vergessen werde.
„Love can do it“ ist für mich auch ein sehr grosses Motto geworden… dass man auch anderen die gleiche Liebe geben soll, wie man sie selber bekommen hat.»

Ich träume davon, dass in den nächsten drei Jahren…
«Ich würde gerne selbständiger werden, was ich da schon sehr gut gelernt habe…

und ich hoffe, dass ich in 3 Jahren bei der Sozialfirma festangestellt bin.

Wenns da nicht klappt, kann ich mir auch etwas in der Küche vorstellen, da das eigentlich schon immer ein Wunsch von mir war, der zwar über all die Jahre verloren gegangen ist, aber hier wieder neu entfacht wurde.
Und ausserdem möchte ich neben diesem Prozess so viele Leute wie möglich für die Streetchurch begeistern. Sei es aus meinem privaten Umfeld oder Leute, die ich neu kennen lerne.Ich finde es sehr wichtig, dass Leute, die eine ähnliche Situation wie ich sind, wissen dürfen, dass es einen Weg gibt – dass nicht alles verloren ist… so wie ich es erleben durfte.»

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3 Fragen an Matthieu (24), Ehemaliger Teilnehmer «Top4Job»

Wer bist du und was machst du in der Streetchurch?
«Ich bin Matthieu und habe im Sommer meine Lehre zum Koch abgeschlossen. Vor dieser Lehre war ich 2 Jahre in der Streetchurch, da ich meine erste Lehrstelle verloren und viele private Probleme hatte. Mir wurde gesagt, dass mir hier geholfen wird… und es wurde mir geholfen.»

Das Motto der Streetchurch ist «Love can do it», was heisst das für dich?

«Das Gefühl, willkommen zu sein.

Auch wenn man in der Vergangenheit falsche Entscheidungen getroffen hat, wird man hier gut behandelt. Man kann ehrlich sein und es wird einem geholfen. So kommt man langsam aus dieser Spirale raus.»

Ich träume davon, dass in den nächsten drei Jahren…
«Die grössten Träume habe ich schon erreicht: Lehre abgeschlossen, meine Finanzen im Griff, das Privatleben läuft gut. Was will man da noch mehr? Da träume ich höchstens noch davon, in ein paar Jahren eine Familie zu gründen.»

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Tabea: «…wie eine grosse durchgeknallte Familie.»

Bevor ich zur Streetchurch kam, hörte ich immer wieder den Satz: «Wer arbeiten will, findet auch etwas». Ich fühlte mich minderwertig, weil ich scheinbar den Anforderungen nicht genügte. Das machte mich unruhig. Nach einer Odyssee von Brückenangeboten, Praktika, einer abgebrochenen Lehre und Aushilfsjobs stiess ich per Zufall auf das Top4Job-Programm der Streetchurch. In die Schule gehen und daneben arbeiten und dabei noch etwas verdienen – das klang perfekt für mich. Von da an ging es bergauf für mich.

Ich kam wieder zur Ruhe, fühlte mich sehr schnell gut aufgehoben und wohl.

Auch die Zuversicht der Leute tat mir gut. „Du findest sicher etwas auf diesen Sommer, lass den Kopf nicht hängen.“ Ich merkte, dass es noch Menschen gibt, die an mich glauben. Man nahm sich Zeit für mich.
Nach ein paar Monaten rief mich ein Betrieb an, dass sie meine Berwerbung top fänden aber leider im Moment keine freie Lehrstelle haben. Sie haben dann meine Bewerbung behalten und als die Lehrstellen fürs nächste Jahr ausgeschrieben wurden, haben Sie mich erneut angerufen. Nach dem Schnuppern und dem Vorstellungsgespräch bekam ich die Zusage für die Lehrstelle.
Meine Lehre als Netzlektrikerin EFZ ist nicht gerade ein Zuckerschlecken und darum möchte ich, wenn ich gestartet bin, ins Lerncoaching in die Streetchurch gehen. Ich möchte die Lehre durchziehen und den andern auch zeigen, «hey, ich hab`s geschafft».
Ich bin der Streetchurch sehr dankbar. Du wirst hier angenommen, so wie du bist. Das macht die Streetchurch aus – man ist zusammen unterwegs, wie eine grosse durchgeknallte Familie. Ich habe jetzt schon ein lachendes und weinendes Auge. Einerseits habe ich eine Lehre und andererseits muss ich mich von der Streetchurch lösen und kann nicht mehr gleich Teil sein wie ich es jetzt bin. Aber ich möchte trotzdem ab und zu vorbeikommen, in die Grow Sessions, oder einfach sonst mal, um zu erzählen, wie es in der Lehre läuft.

Tabea (25)

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Sozialberatung: Ganzheitlicher Support bis zum Ziel

Junge Menschen müssen beim Übergang vom Jugendalter ins Erwachsenenleben komplexe Herausforderungen meistern: Berufsfindung und Ausbildung, Ablösung von den Eltern, Umgang mit Geld, persönliche Administration, Identitätsentwicklung – und vieles mehr.

Gründe, an einer oder mehreren dieser Herausforderungen zu scheitern, gibt es viele. Die Erfahrung in der Streetchurch zeigt, dass häufig komplexe familiäre Situationen und psychosoziale Belastungen dazu beitragen. Konflikte, Kündigungen, unbefriedigende Wohnsituationen, Resignation in der persönlichen Administration, Konsum von Suchtmitteln, geringer Selbstwert – meist bringt eines dieser Themen einige weitere mit sich.
In der Streetchurch begleiten Sozialarbeitende junge Erwachsene bei diesen Herausforderungen. Dies im Rahmen unseres Angebots Sozialberatung oder in den Angeboten Top4Job und Begleitetes Wohnen, in denen sie als interne Case Manager und Case Managerinnen fungieren. Dabei wird die kooperative Zusammenarbeit zwischen internen und externen Fachpersonen koordiniert und initiiert. Als verlässliche Bezugspersonen geben die Sozialarbeitenden den jungen Erwachsenen Orientierung, Sicherheit und entwickeln mit ihnen neue Perspektiven. Die Richtung bestimmen die jungen Erwachsenen individuell. Die Sozialarbeitenden bieten einen Werkzeugkoffer an Methoden und Fachwissen, der die Zielerreichung unterstützt. Dieser besteht dabei nicht nur aus fachlichem Rat, sondern auch aus Ermutigung und Begleitung – praktisch und konkret.

Auch junge Menschen wollen nicht einfach als Klient und Klientin oder Fallnummer abgehandelt werden. Sie wollen gesehen und gehört werden. Zeigen die Sozialarbeitenden echtes Interesse und investieren sie in die Beziehung, erleben wir es häufig, dass junge Menschen sich öffnen und sich ermutigt fühlen, auch an Schwächen zu arbeiten. Von den Fachpersonen in der Streetchurch fordert dies immer wieder den Entscheid, sich voll und ganz auf den Menschen einzulassen, auch wenn er oder sie sich mit ihrem Verhalten sträubt. Nahe am Menschen finden sich so im gemeinsamen Unterwegssein individuell zugeschnittene Lösungen.
In der Schweiz verfügen wir durch Sozialversicherungen und die Sozialhilfe über ein Netz, das soziale Sicherheit ermöglicht. Für manche unserer Klienten und Klientinnen stellen bereits die damit geforderten Formalitäten eine Hürde dar und sie scheitern an der Selbstorganisation oder an mangelndem Selbstvertrauen. Andere sind sogenannte Care-Leaver und seit Jahren in Kontakt mit Fachpersonen. Erfahrungsgemäss ist deren Kooperationsbereitschaft insbesondere gegenüber Amtspersonen häufig klein. Die Fachpersonen der Streetchurch nehmen dabei eine vermittelnde Rolle ein, indem sie den jungen Erwachsenen auf der Beziehungsebene ihre Würde zusprechen sowie schwierige Schritte gemeinsam in Angriff nehmen und bewältigen. Die kooperative Zusammenarbeit mit internen und externen Fachpersonen ist dabei ein wichtiges Hilfsmittel. Damit können die Aufgaben geklärt, Synergien genutzt und Doppelspurigkeiten vermieden werden.
Ein grosser Stellenwert hat in der Streetchurch die nachhaltige Veränderung. Die Praxis zeigt, dass diese nur gelingen kann, wenn die Menschen ganzheitlich erfasst und unterstützt werden. Je nach Ausgangslage braucht dies Zeit und Vertrauen. Doch nur auf einem stabilen Fundament kann nachhaltig aufgebaut werden.

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Nico über Pascal, Pascal über Nico

Pascal (36) ist Leiter der Arbeitsintegration in der Streetchurch, Familienvater von vier Kindern und träumt als Hobbysportler heute noch von einer Tenniskarriere.
Nico (23) war fast vier Jahre lang Teilnehmer im Trainingsprogramm Top4Job und absolviert heute eine Lehre als Logistiker EFZ. In seiner Freizeit schreibt er gerne Fantasy-Geschichten.

Pascal über Nico

«Meine erste Begegnung mit Nico war das Vorstellungsgespräch, als er sich für unser Trainingsprogramm Top4Job interessierte. Mir ist in Erinnerung geblieben, dass er immer sehr schnell sprach. Mit der Zeit verstand ich ihn mit seinem sehr schnellen Hochdeutsch immer besser. Auch, weil wir immer wieder gemeinsam Feedback- und Standortgespräche durchgeführt haben.
Es war meine Aufgabe, Nico als Coach zu begleiten und mit ihm vor allem seine Arbeitseinsätze als Fensterputzer auszuwerten. Dazu haben wir viele Kundenfeedbacks miteinander angeschaut und besprochen. Er bekam viele gute Rückmeldungen, gerade auch von älteren Personen. Da fand er immer einen guten Draht. Wir haben aber auch Rückmeldungen angeschaut, bei denen es um Verbesserung ging.
Im Rückblick kann ich sagen, dass Nico in der Zeit bei uns grosse Schritte gemacht hat. Im Umgang mit Kunden, bei der Qualität auf Arbeitsaufträgen und im Umgang mit Vorgesetzten hat er sich stark entwickelt.
An Nico beeindruckt mich seine Ausdauer! Er hat in den vier Jahren bei uns nie resigniert. Er hat über 500 Bewerbungen* geschrieben und wohl über 20 Schnupperwochen bei Lehrbetrieben absolviert. Auch bei uns war er sehr zuverlässig. Nie war er unpünktlich und hat nie unentschuldigt gefehlt. In all den Jahren hatte er nur einen Krankheitstag.
Seit Nico letzten Sommer seine Lehre gestartet hat, haben wir weniger Kontakt. Aber noch heute schreibe ich ihm alle paar Wochen per Whatsapp und frage nach, wie es ihm geht.
Ein toller Teil meines Jobs in der Streetchurch ist es, dass ich Personen wie Nico langfristig begleiten kann. Es ist schön zu sehen, wie sie einen Prozess durchlaufen und einfach genial, daran Anteil zu haben und sie zu ermutigen.»

Knapp 400 individuelle Titelblätter hat Nico zu seinen Bewerbungen gestaltet.

Nico über Pascal

«An meinem ersten Arbeitstag bei der Streetchurch habe ich mich verlaufen. Zum Glück hat mich dann einer der Mitarbeitenden auf der Strasse gesehen und hereingerufen.
Ich bin damals zur Streetchurch gekommen, weil ich eine Lehrstelle suchte. Meine Mutter hat ein Inserat gesehen und ich habe mich gemeldet. Ich habe dann als Fensterputzer gearbeitet. Kurz hatte ich auch mal mit der Psychologin der Streetchurch Kontakt. Aber vor allem habe ich gearbeitet und die interne Schule besucht.
Dort habe ich sehr viele Bewerbungen geschrieben. Dabei habe ich viel gelernt. Und vieles davon kann ich heute in der Berufsschule nutzen. Weil ich gelernt habe, wie man ein schönes Titelblatt für Bewerbungen gestaltet, konnte ich in der Lehre ein Merkblatt für Gefahrensituationen gestalten. In der Schule habe ich auch für die Berufsschule gelernt. Es hat genützt. Mein Lehrer meinte, dass ich im letzten Halbjahr der Klassenbeste gewesen sei. Das hat mich gefreut.
In der Streetchurch hat mich Pascal stark unterstützt. Wir hatten viele Gespräche. An die schwierigen kann ich mich eigentlich nicht mehr erinnern. Aber ich weiss noch, dass Pascal immer für mich verfügbar war, wenn ich ein Anliegen hatte. Er hatte immer ein offenes Ohr. Einmal hatte ich Schwierigkeiten mit einem Kunden. Da hat mir Pascal den Rücken gestärkt. Das habe ich sehr geschätzt.
Persönlich habe ich in der Zeit in der Streetchurch viel gelernt, was Qualität und Effizienz angeht. Meine Lehre dauert jetzt drei Jahre, und danach würde ich gerne im Betrieb bleiben. Mal schauen, ob das klappt.»