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Kolumne

Warum wir Podcasten…

Es ist das Zeitalter der Podcasts. Jährlich steigen die Zahlen der Schweizer*innen, die dieses auditive Format des «Infotainments» mindestens einmal im Monat nutzen (Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft, 2020). Ich selbst bezeichne mich als chronischen Podcast-Hörer, wobei mich insbesondere die verschiedenen theologischen Formate der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart überzeugt und in ihren Bann gezogen haben. Offengestanden muss ich mich als echten Fanboy des einen oder anderen Podcast outen. Die Ungeduld, bis ich die neue Folge hören kann, lässt kaum einen anderen Schluss zu. Nicht selten bekommen Freunde und Familie dann meine Begeisterungsströme ab und müssen irgendwie damit klarkommen, dass ich sie dazu dränge, sich eine (gut und gerne auch einmal an die zwei Stunden dauernde) Podcast-Folge reinzuziehen. All jenen, die bei derartigen Erzählungen so gar nicht resonieren können und sich bei diesen Zeilen ganz viele Fragen stellen, sei die eine oder andere Hörprobe aus Podcasts wie «Das Wort und das Fleisch», «Karte und Gebiet – Ethik zum Selberdenken», «Worthaus», «Hossa Talk», «Ausgeglaubt», «Mindmaps», «Movecast» oder «Fluide Kirche» (um nur einige zu nennen) gegönnt.

Bei all diesen Angeboten, die es an Qualität ebenso wenig vermissen lassen wie an Veröffentlichungsfrequenz und Länge der einzelnen Folgen (da reicht auch die tägliche Zugfahrt von Basel nach Zürich und zurück nirgendwo hin), muss die Frage erlaubt sein: Warum, liebe Streetchurch, wollt jetzt auch IHR Podcasts aufnehmen und unter die Leute bringen? Passt das zu eurem Auftrag? Ist das wirklich nötig?  

Nun, die Frage ist natürlich berechtigt, aber… So viele grossartige auditive Projekte es gerade auch in der christlich-spirituellen Podcast-Welt gibt; einen Podcast, der aus der Mitte des gemeinsamen Lebens und Kircheseins ein Gespräch auf der Grundlage konkreter Begegnungen und Erfahrungen des Leben Feierns und vorwärts Stolperns entwickelt, ist mir bis heute nirgendwo begegnet. Und genau da haben wir unseren USP erkannt. Die Mission der Streetchurch heisst «Versöhnung leben». Unsere Vision ist es, dass dadurch Menschen «nach Hause kommen» können. Tisch-, Dienst- und Glaubensgemeinschaft mitten im Kreis 4 in Zürich. Kirche nahe bei und mit den Menschen, insbesondere mit denen, die um ihre Brüchigkeit und Zwiespältigkeit wissen und ihr Scheitern regelmässig vor Augen geführt bekommen. Dieses Beziehungsgeschehen prägt unseren Alltag, unsere Kultur, unser Weltbild und unseren Glauben an Gott. Es verändert die Art, wie wir über das Kirchesein denken und sprechen. Und ja, am Ende des Tages werden auch wir selbst dadurch verändert. Darum wollen wir darüber sprechen. Und darum machen wir Podcasts. Unser Wunsch ist es, dass unsere Hörer*innen einen Einblick erhalten in diese Welt und vielleicht da und dort eine Anregung für ihr eigenes Leben und Handeln mitnehmen können.  

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Fachartikel

Top4Job: Beziehungsorientiert zu neuen Perspektiven.

Für viele Jugendliche ist der Schritt aus der obligatorischen Schulzeit in eine zertifizierende berufliche Grundausbildung mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Die Zahlen und Statistiken variieren, aber man kann festhalten: Es sind nicht wenige, die beim Übertritt an der Nahtstelle zwischen Sekundarstufe I und II ohne Ausbildungsplatz bleiben. Neben beruflichen Orientierungsschwierigkeiten sind es oft fehlende psychosoziale Ressourcen in mehreren Lebensbereichen und schwierige familiäre Verhältnisse, welche den erfolgreichen Eintritt ins berufliche Leben erschweren.

Neuere Forschungsergebnisse zeigen ausserdem, dass in vielen Fällen Selektionskriterien eine relevante Rolle spielen, die im bildungspolitischen Diskurs wenig Erwähnung finden. Es sind dies Faktoren wie die soziale Herkunft, das Geschlecht und die Unterstützung durch Elternhaus und Schule. Faktoren also, die sich mit dem Postulat der strukturellen Chancengleichheit nicht vereinbaren lassen und demnach keine Rolle spielen dürften, es aber im Endeffekt trotzdem tun – mit erheblichen Konsequenzen für die betroffenen Jugendlichen. Bleibt eine Anschlusslösung nach der obligatorischen Schulzeit zunächst aus, wird die Chance, in eine zertifizierende Berufsusbildung einzutreten und diese erfolgreich abzuschliessen, substanziell reduziert.

An dieser Stelle setzen Brückenangebote und Berufsvorbereitungsmassnahmen wie das Trainingsprogramm «Top4Job» der Streetchurch an. «Top4Job» bietet jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren, die den Einstieg in die Berufswelt aus diversen, oft multifaktoriellen Gründen, bisher nicht gefunden haben, eine niederschwellige und ganzheitliche Tagesstruktur mit individueller Unterstützung und Hinführung an den ersten Arbeitsmarkt. Ziel ist es, die Teilnehmerinnen in eine Lehre, ein Praktikum oder eine feste Arbeitstelle zu integrieren. Dies geschieht durch die Förderung der Lebenskompetenzen, insbesondere der Arbeits-, Selbst- und Sozialkompetenzen. Die Teilnehmerinnen gehen auf Arbeitseinsätze im Bereich Reinigung und Unterhalt und besuchen die Bildung, wo sie sich ihrem Berufswahl- und Bewerbungsprozess und der Weiterentwicklung ihrer schulischen Fähigkeiten widmen sowie an Modulen zu allgemeinen Lebenskompetenzen teilnehmen und mitwirken.Ausserdem können psychologische und sozialarbeiterische Beratung in Anspruch genommen und so psychosoziale Ressourcen (Wohnsituation, finanzielle Sicherheit, physische und psychische Gesundheit) gestärkt werden.

Ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Sozialberatung, Agogik, Andragogik und Psychologie begleitet die jungen Menschen professionell und ressourcenorientiert. Die Erfahrung zeigt, dass dieser holistische Ansatz und der Fokus auf die Beziehungorientierung, eine wichtige Grundlage für gelingende Veränderungsprozesse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen darstellt. Beziehungsorientierung heisst für uns auch ein bewusstes Angebot zur Gemeinschaft. Dies zeigt sich beispielsweise im spontanen Austausch beim Mittagessen, in ausserprogrammlichen Angeboten, wie dem wöchentlichen Sport in einer nahegelegenen Turnhalle, aber auch in der Bereitschaft, auch ausserhalb der Angebotszeiten für Anliegen und Gespräche verfügbar zu sein. Das alles geschieht bedacht und achtsam und im Wissen, dass mancher Professionalisierungsdiskurs davor warnt.

Immer wieder erleben wir, wie lohnenswert dieser Weg ist und dass junge Menschen mit schwierigen persönlichen Geschichten und Mehrfachproblematik, unter anderem dadurch ihre Motivation wiederfinden, sich auf einen Veränderungsprozess einlassen und so handlungsfähig werden und gelingendes Leben entdecken. Eine Teilnehmerin hat kürzlich erklärt, sie komme nicht nur für die Arbeit und ihre persönlichen Integrationsziele in die Streetchurch, sondern habe hier auch ein zweites Zuhause gefunden. Ich bin der Überzeugung, dass eine solche Atmosphäre des «nach Hause kommens» die perfekten Rahmenbedingungen für junge, entwurzelte Menschen schafft und sie ermutigt und befähigt, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und mit neuer Perspektive ihre Ziele zu verfolgen.

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Portraits

3 Fragen an Maria (23), Praktikantin aus Deutschland

Wer bist du und was machst du in der Streetchurch?

Ich bin Maria, bin 23 Jahre alt, bin Studentin in Leipzig (Deutschland) und hier in der Streetchurch bin ich Praktikantin. Seit 10 Monaten arbeite ich mit in der Bildung. Dort schreiben wir Bewerbungen zusammen. Und ich bin im Lerncoaching, wo ich einzelnen Teilnehmenden helfe, bessere Lernstrukturen zu finden oder sich besser zu organisieren oder auch Lerntipps weitergebe.
Eins meiner prägendsten Erlebnisse hier war, als ich anfangen durfte Lerncoaching-Sessions zu planen und umzusetzen so wie ichs ein Stück weit gelernt hatte. Und ich war im Lerncoaching im Einzelgespräch und dort kamen wirklich Erfolge zustande weil wir an den ganz aktuellen schulischen Themen gearbeitet haben und Leute sind über sich hinausgewachsen.

Das feiere ich mega an diesem individuellen Setting, dass ich wirklich Zeit habe für Lerncoaching.

Und was ich zusätzlich noch mache, ist mich einbringen in die Community. Ich bin voll gerne unter Menschen und erlebe gerne Sachen. Ich hab zum Beispiel ein Streetchurch-Ausflug geplant. Im Sommer zum Wandern, im Winter zum Schlitten fahren. Dabei kann man Leute einfach beheimaten und ein Stück weit zusammen holen und gemeinsame Erlebnisse schaffen, die Beziehungen entstehen lassen.
Streetchurch habe ich tatsächlich online gefunden. Ich hab mich informiert. Was sind neue Formen von Gemeinde? Wie kann Berufsorientierung auch aussehen für mich persönlich aus meinem Studium heraus. Wo kann ich beruflich andocken. Und die Homepage hat mich dann eingeladen dazu eine Mail zu schreiben, zu fragen: «Hey habt ihr ein halbes Jahr Zeit. Kann ich dazu kommen und ich bin einfach dabei. Ich hab ein halbes Jahr Zeit und schenk die euch.»

Das Motto der Streetchurch ist «Love can do it», was heisst das für dich?

Ich glaube, dass Liebe ein Motor ist. Und dort wo Menschen beheimatet werden, dort blühen sie auf. Dort wo Menschen geliebt werden dadurch blühen sie auf und merken «Hey, ich bin was wert, ich kann was. Ich will mich dort auch ausprobieren.» Und ich glaube, dass wir Räume schaffen können, wo Leute das erleben dürfen und dass Liebe der Antrieb oder der Motor dafür ist. Das ist für mich die Bedeutung von dem Motto. Und ich wünsche mir, dass das weiter passieren darf.

Ich träume davon, dass in den nächsten drei Jahren…
Ich träume davon, dass ich in den nächsten 3 Jahren vielleicht jungen Leuten begegne, die ich begleitet hab und die mir erzählen, dass sie einen Lehrertrag unterschrieben haben oder, dass sie gemerkt haben was sie können. Das sie ihre Gaben besser herausgefunden haben. Ich träume davon auch, dass Teilnehmende, die jetzt im Top4Job-Programm sind später Teil vielleicht vom Kids-Programm sind oder merken «Hey, ich möchte Köchin werden – ich könnte doch im Restaurant arbeiten, ich könnte doch im Service in der Grow Session mithelfen». Dass dort einfach Verknüpfungen entstehen zwischen dem Top4Job und der Grow Session.
Ganz persönlich siehts bei mir so aus, dass ich wieder zurück gehe. Mein Studium beende in Deutschland und dann werde ich als Lehrerin arbeiten. Ich hoffe, dass ich in einer Förderschule arbeiten kann mit jungen Menschen auch in der Berufsorientierung. Und dann werden wir mal sehen, was an Berufen oder was an Stellen noch auf mich zu kommt. Aber ich wünsche mir einen guten Einstieg ins Berufsleben.

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News

LunchLab auf Radio LifeChannel

Radio LifeChannel berichtete über das LunchLab der Streetchurch.
https://lifechannel.ch/leben/gesellschaft/kirche-gesellschaft/wertschaetzende-tischgemeinschaft-mit-lunchlab/

Radio Life Channel 24.1.2022

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Theologie

Kirche, wie Jesus sie gemeint hat.

Unser Pfarrer, Markus Giger, hat mit Radio Life Channel darüber gesprochen, wie er Kirche versteht. Ein spannender Einblick in das, was uns als Streetchurch seit fast 20 Jahren prägt und herausfordert. 
https://radio.lifechannel.ch/menschen/geschichten/talk/kirche-wie-jesus-sie-gemeint-hat/

Radio Life Channel 17.11.2020

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Kolumne

Versöhnung mit der eigenen Geschichte

Hier bin ich und schreibe. Ich schreibe. Das fühlt sich heute einigermassen okay an. Nicht so in der Vergangenheit. Umständlich. Mühsam. Eine Tortur. Für mich jedenfalls. Der Meister der Sprachnachrichten darf hier eine Kolumne schreiben. Schreiben!!!

Meine Hirnwindungen produzierten in Vergangenheit immer wieder die unglaublichsten Sätze – an der Grenze zur Genialität – dachte ich. Jedoch blieb ich häufig der Einzige, der diese nachvollziehen konnte. Durch die Primar- und Oberstufenzeit verfasste ich meine Texte mit dem Selbstwert eines gekränkten Vierjährigen. Immer im Wissen darum, dass das Geschriebene für den Leser oder die Leserin wohl unter die Kategorie „hat und gibt sich Mühe“ fällt. Das schmerzte und tangierte mein Selbstvertrauen stark. Noch heute gibt es Situationen, in denen ich schriftliche Aufgaben mit Öffentlichkeitscharakter am liebsten ausweichen würde. Was, wenn ich wieder korrigiert werde. Was, wenn meine Fähigkeiten in Frage gestellt werden? Was, wenn das beschriebene nicht verstanden wird?

Ich finde mich in verschiedenen Coachingsituationen mit jungen Menschen wieder, in denen schulische, aber auch persönliche Herausforderungen offengelegt werden. Viele dieser Menschen kommen aus komplexeren Geschichten und aus einem weniger stabilen Umfeld, als das bei mir der Fall ist.

Zum Beispiel der junge Mann, der mit sechs Jahren psychologisch abgeklärt wurde. Auf einen Schlag war seine übersprudelnde Energie in ein Label gepackt – ADHS. Stigmatisiert. Ein Sonderling. Es folgte eine Heimkarriere. Medikamente „stellten ihn ruhig“, wie er selbst sagt. Äusserlich ruhig, innerlich gekränkt. Mit 17 verweigerte er die Medikation. Landete auf der Strasse – obdachlos. Eine Karriere als Kleinkrimineller folgte.

In der Begleitung von ihm erleben wir viele Symptome, welche uns denken lassen, dass ADHS auch die grosse Herausforderung seines Erwachsenenlebens sein wird.
Etwas gegen das ADHS unternehmen – allenfalls mit einer gut eingestellten Medikation und mit Verhaltenstraining? „Nein, nicht nochmals professionelle Hilfe. Lieber erfolglos und auf dem Abstellgleis als stigmatisiert und medikamentiert“, so seine Aussage.

Kann ich es ihm verübeln? Nein. Kann ich das nachvollziehen? Teilweise. Schmerzt es zu sehen, dass er sich nicht professionell helfen lassen will? Sehr!

Wie reagiere ich nun darauf? In der Sache klar. „Ich glaube es ist wichtig, dass du dich auf diesen Prozess einlässt! Was sind deine nächsten Schritte?“ Und da ist noch die Beziehungsebene. Auch hier bin ich um Klarheit bemüht: „Ich sehe dein Leid. Ich nehme es ernst. Ich wünsche dir, dass du deine Ziele erreichen kannst. Ich bin da für dich.“

Nicht selten merke ich, dass die Geschichten unserer Teilnehmenden auch meine Geschichten sind. Häufig verkorkster und doch ähnlich. Erlebnisse von gebrochenen Menschen, welche verunsichert sind, an sich zweifeln oder gar verzweifeln und bisweilen eine Wut gegen die Welt entwickeln.

Erfahrungen aus der Streetchurch zeigen mir: Ernst genommene Ängste und die Anerkennung von gebeuteltem (Selbst-)Vertrauen, sind eine Grundlage zur Versöhnung mit der eigenen Geschichte. Ich erlebe, dass sich Personen positiv entwickeln können, wenn Menschen innerhalb der Gemeinschaft eigene Defizite und Nöte kennen, benennen und diese einander in einem vertrauensvollen Rahmen zumuten können. Wo Vertrauen ist, kann auch neues Selbstvertrauen erlangt werden. Alle drei Erfahrungen gelten für den selbstwertgekränkten Schreiberling, den Delinquenten und für alle anderen.
Diese Art von Gemeinschaft – in welcher Platz ist für persönlichen Not – ermöglicht Heilung und Versöhung. Das ist für mich: Streetchurch.

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Fachartikel

Sozialberatung: Ganzheitlicher Support bis zum Ziel

Junge Menschen müssen beim Übergang vom Jugendalter ins Erwachsenenleben komplexe Herausforderungen meistern: Berufsfindung und Ausbildung, Ablösung von den Eltern, Umgang mit Geld, persönliche Administration, Identitätsentwicklung – und vieles mehr.

Gründe, an einer oder mehreren dieser Herausforderungen zu scheitern, gibt es viele. Die Erfahrung in der Streetchurch zeigt, dass häufig komplexe familiäre Situationen und psychosoziale Belastungen dazu beitragen. Konflikte, Kündigungen, unbefriedigende Wohnsituationen, Resignation in der persönlichen Administration, Konsum von Suchtmitteln, geringer Selbstwert – meist bringt eines dieser Themen einige weitere mit sich.
In der Streetchurch begleiten Sozialarbeitende junge Erwachsene bei diesen Herausforderungen. Dies im Rahmen unseres Angebots Sozialberatung oder in den Angeboten Top4Job und Begleitetes Wohnen, in denen sie als interne Case Manager und Case Managerinnen fungieren. Dabei wird die kooperative Zusammenarbeit zwischen internen und externen Fachpersonen koordiniert und initiiert. Als verlässliche Bezugspersonen geben die Sozialarbeitenden den jungen Erwachsenen Orientierung, Sicherheit und entwickeln mit ihnen neue Perspektiven. Die Richtung bestimmen die jungen Erwachsenen individuell. Die Sozialarbeitenden bieten einen Werkzeugkoffer an Methoden und Fachwissen, der die Zielerreichung unterstützt. Dieser besteht dabei nicht nur aus fachlichem Rat, sondern auch aus Ermutigung und Begleitung – praktisch und konkret.

Auch junge Menschen wollen nicht einfach als Klient und Klientin oder Fallnummer abgehandelt werden. Sie wollen gesehen und gehört werden. Zeigen die Sozialarbeitenden echtes Interesse und investieren sie in die Beziehung, erleben wir es häufig, dass junge Menschen sich öffnen und sich ermutigt fühlen, auch an Schwächen zu arbeiten. Von den Fachpersonen in der Streetchurch fordert dies immer wieder den Entscheid, sich voll und ganz auf den Menschen einzulassen, auch wenn er oder sie sich mit ihrem Verhalten sträubt. Nahe am Menschen finden sich so im gemeinsamen Unterwegssein individuell zugeschnittene Lösungen.
In der Schweiz verfügen wir durch Sozialversicherungen und die Sozialhilfe über ein Netz, das soziale Sicherheit ermöglicht. Für manche unserer Klienten und Klientinnen stellen bereits die damit geforderten Formalitäten eine Hürde dar und sie scheitern an der Selbstorganisation oder an mangelndem Selbstvertrauen. Andere sind sogenannte Care-Leaver und seit Jahren in Kontakt mit Fachpersonen. Erfahrungsgemäss ist deren Kooperationsbereitschaft insbesondere gegenüber Amtspersonen häufig klein. Die Fachpersonen der Streetchurch nehmen dabei eine vermittelnde Rolle ein, indem sie den jungen Erwachsenen auf der Beziehungsebene ihre Würde zusprechen sowie schwierige Schritte gemeinsam in Angriff nehmen und bewältigen. Die kooperative Zusammenarbeit mit internen und externen Fachpersonen ist dabei ein wichtiges Hilfsmittel. Damit können die Aufgaben geklärt, Synergien genutzt und Doppelspurigkeiten vermieden werden.
Ein grosser Stellenwert hat in der Streetchurch die nachhaltige Veränderung. Die Praxis zeigt, dass diese nur gelingen kann, wenn die Menschen ganzheitlich erfasst und unterstützt werden. Je nach Ausgangslage braucht dies Zeit und Vertrauen. Doch nur auf einem stabilen Fundament kann nachhaltig aufgebaut werden.

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Theologie

Die Therapie für die Kirche heisst Versöhnung leben

Propheten haben es bekanntlich schwer in ihrem Heimatland. Nicht anders erging es dem Zürcher Theologieprofessor Emil Brunner. Vor bald 60 Jahren hat er geradezu prophetisch der Kirche ihr Leiden diagnostiziert:

«Was den modernen Menschen interessiert, ist einerseits die Frage nach sich selbst, nach dem Sich-selbst-Finden, die Frage danach, wie er mit seinen persönlichen Problemen fertig werden kann, andererseits die Frage nach der Gestaltung der Gemeinschaften, in denen er lebt, die sogenannte soziale Frage. Eine Kirche aber, die ihm nur als Institution begegnet, die um ihres angeblichen Gotteswortes willen existiert und ausschliesslich auf diesen Zweck hin ausgerichtet ist, die ihn also weder selbst in eine Gemeinschaft einschliesst noch zum Problem der Gemeinschaftsgestaltung etwas Erhebliches zu sagen hat, ist ihm von vornherein unglaubwürdig. Er mag darum auch ihr Wort nicht hören… Darum ist die Predigt, hinter der keine Gemeinschaft, sondern bloss eine Institution steht, unglaubwürdig.
Die Predigt des Evangeliums ist also nicht zu trennen vom Sein der Ekklesia als Gemeinschaft… Die Gemeinschaftslosigkeit der Institution «Kirche», ihr Auseinanderreissen von Reden und Sein, ist der tiefste Grund, warum so viele heutige Menschen ihr den Rücken kehren.»

Emil Brunner, Dogmatik Band 3, 124f, Zürich, 1960

Wir von der Kirche haben wohl auf die Diagnose reagiert und allerlei Therapien sind der Patientin verschrieben worden: So wurden Gottesdienste formal neu dosiert, eine Unzahl von mehr oder weniger nährenden Aktivitäten wurde entwickelt und aktuell sucht man das Heil für die von der Schwindsucht gezeichnete Kirche in langwierigen Strukturtherapien. Doch allen Bemühungen zum Trotz: Richtig besser will es der Patientin nicht gehen. So einhellig der Diagnose Brunners zugestimmt wird, so wenig scheint man willens oder fähig, sich der naheliegenden Therapie, die sich aus seinen Worten ergeben, zu stellen:

«Die Kirche als versöhnende Gemeinschaft, in der sich Reden und Sein entsprechen.»


Emil Brunner fordert als Therapie nichts weniger, als dass sich die Menschen der Kirche mit ganzer Hingabe um die Entsprechung von Reden und Sein, von Wort und Tat bemühen. Das Reden vom Glauben muss sich im Handeln der Kirche «inkarnieren». Nur so können Menschen die Kirche wieder als Ort der heilsamen Gemeinschaft entdecken.
In der Streetchurch versuchen wir diese Entsprechung tagtäglich umzusetzen. Dabei leitet uns eine faszinierende Beobachtung: Worte und Taten Jesu interpretieren sich gegenseitig. So entsprechen die Handlungen Jesu in einer interpretierenden Weise seinen Worten, genauso wie seine Worte sein Handeln klärend und erklärend auslegen. In dieser faszinierenden Entsprechung von Reden und Sein liegt wohl einer der Gründe für die überwältigende Anziehungskraft Jesu. «Und das Worte wurde Fleisch und wohnte unter uns.» Joh 1,14.

Genau dies ist unsere Erfahrung: Wenn Menschen erleben, wie wir darum ringen, Versöhnung tagtäglich in unser und in ihr Leben «hineinzuleben», dann beginnen sie sich für die Kirche zu interessieren – oder besser: für das, was Kirche im Sinne ihres Stifters sein soll, nämlich eine Gemeinschaft, in der sich Menschen mit Gott, ihren Mitmenschen und mit ihrem eigenen, oft von Brüchen gezeichneten Leben versöhnen dürfen.

Je länger wir miteinander und füreinander unterwegs sind, desto klarer wird uns die Sendung Jesu: Jesus teilte sich den Menschen aus. In seinem Reden, in seinem Handeln. Ganz und gar, bis zum Äussersten. Und auch da gilt wieder: Das Kreuz erfüllt die Worte Jesu beim letzten Abendmahl, und diese Worte deuten das Geschehen am Kreuz noch heute für uns, die wir ihm nachfolgen. Nachfolgen sollen wir ihm und dabei uns austeilen an die Menschen in unserer Zeit. Ganz und gar. Auf dass Versöhnung geschehe in einer Zeit voll von Unversöhnlichem. Darum geht es in der Gemeinschaft, die sich als Kirche in der Nachfolge Jesu Christi versteht. Wenn wir diese versöhnende Gemeinschaft leben, wird die Kirche gesunden. Und: Eine gesunde Kirche tut unserer Gesellschaft gut.