«Ich war vor vielen Jahren bei der ersten Top4Job-Durchführung dabei. Ich erinnere mich noch: Ich war grad mega deprimiert wegen einer Absage und ihr hattet damals noch den Fensterputzer an der Scheibe an der Birmensdorferstrasse. Weil ich diesen sah, ging ich rein und fragte, was das genau sei. So kam ich in die Streetchurch. Ich habe gute Erinnerungen an diese Zeit. Im Anschluss begann ich die Handelsschule, welche ich aber, weil meine Stipendien nicht mehr bewilligt wurden, nicht mehr weitermachen konnte. Das Bürofachdiplom konnte ich dank Stiftungsgeldern, die die Streetchurch aufgetrieben hatte, noch machen. Aber dass dieser Weg nicht mehr weiter ging zog mich schon runter. Nach einem Praktikum und einem Lehrabbruch im kaufmännischen Bereich habe ich die Lehre als Restaurationsfachfrau gemacht. Aber bei der praktischen Prüfung hatte ich Blackouts – wohl die Nervosität – und ich habe diese nicht bestanden. Das war ein weiterer Tiefschlag… und zu allem wurde ich auch noch schwanger. Das klingt jetzt negativer, als es gemeint ist. Es ist eine schöne Erfahrung. Ich freue mich über meinen Sohn. Es war halt in dem Moment nicht ganz das, was geplant war. Aber es ist jetzt doch schön, Mami zu sein. Man beginnt anders zu denken, hat andere Prioritäten. Es ist schon krass, was es in einem auslöst. Ich hab mich nochmals recht verändert, seit der Kleine in meinem Leben ist. Schon länger bin ich bei Andrea in der Sozialberatung. Früher nur sehr sporadisch, wenn grad was aktuell war. Im Moment aber regelmässiger. Die Themen reichen vom üblichen Bürokram, wie Finanzen, bis hin zu Anträgen oder Vaterschaftsanerkennung, weil wir nicht verheiratet sind, oder Fragen mit den Ämtern klären. Was auch sehr wertvoll ist für mich: Andrea wurde ja kurz vor mir auch Mutter und wir tauschen uns auch da drüber aus. Sie hilft mir jetzt auch mit Tipps oder kann mir mit Kleidern etc. weiter helfen, da ich in meinem Umfeld nicht viele andere Mütter habe. Die Streetchurch ist ein Ort, der Vertrauen in mir weckt. Eine naheliegende Idee wäre jetzt eigentlich, dass ich nochmals an die praktische Prüfung als Restaurationsfachfrau gehen würde… aber da müsste ich ein Jahr wiederholen und das finde ich schwierig, da ich als Mutter die Flexibilität, die dieser Bereich oft verlangt, nicht bieten kann. Ich möchte aber einfach noch eine Lehre abschliessen – damit ich einen Abschluss habe und auf eigenen Beinen stehen kann.»
Ein gelingender Übergang von der Schule ins Berufsleben stellt für viele junge Menschen eine grosse Herausforderung dar. Insbesondere an der Nahtstelle zwischen den Sekundarstufen I und II stossen viele Jugendliche auf erhebliche Schwierigkeiten. Rund 20% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bleibt der direkte Übergang in die berufliche Grundbildung verwehrt.[1]
Dass die Suche nach dem richtigen Lehrberuf und dem passenden Ausbildungsbetrieb für viele junge Menschen ein steiniger Weg ist, erlebe ich im Berufsvorbereitungsprogramm «Top4Job» der Streetchurch täglich. Absage folgt Absage, Misserfolg folgt Misserfolg. Manche Betriebe geben auf die per Mail oder Lehrstellenplattform eingereichte Bewerbung nicht einmal eine Antwort. Dass da die Frustration bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen wächst und die Hoffnung der Perspektivlosigkeit weicht, ist mehr als nur verständlich. Klappt es dann irgendwann doch noch mit der Lehrzusage, ist das natürlich ein Grund zum Feiern. Und doch: Ein unterzeichneter Lehrvertrag in der Tasche ist noch kein Garant dafür, dass der Lehrabschluss nach zwei (EBA), drei oder vier (EFZ) Jahren auch tatsächlich gelingt. Schweizweit wird jährlich mehr als jeder fünfte Lehrvertrag vorzeitig aufgelöst.[2] Bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund ist es gar jeder vierte. Gewisse Branchen verdienen sich dabei keine guten Noten. So wird durchschnittlich mehr als jede dritte (!) angefangene Coiffeurlehre vorzeitig aufgelöst.
Die Gründe sind, wie so oft, vielschichtiger Natur. Nicht selten spielen schwierige Familiensysteme und fehlende Unterstützung von Seiten der Eltern eine wesentliche Rolle.[3] Diese Unterstützung ist insbesondere bei der beruflichen Orientierung von entscheidender Bedeutung. Wo sie fehlt, droht den betroffenen Jugendlichen in der Berufswahl die Überforderung und demnach die berufliche Orientierungslosigkeit. Denn die Lehrpersonen in der Sekundarschule vermögen vieles, aber eine Klasse mit 20 und mehr Schülerinnen und Schülern individuell in der Berufswahl und im Bewerbungsprozess zu begleiten, ist eine Herkulesaufgabe. Neben der zu wenig tiefen Auseinandersetzung mit der Berufswahl sind psychische Belastungen ein entscheidender Faktor für Lehrvertragsauflösungen [4]. Unsere Erfahrung zeigt zudem, dass auch zwischenmenschliche Probleme mit dem/der Berufsbildner*in und branchen- oder betriebsbezogene Missstände in der Berufsbildung immer wieder Grund für das frühzeitige Beenden einer Ausbildung sind.
Um junge Menschen, die unter anderem vom Berufsvorbereitungsprogramm «Top4Job» in eine Lehre einsteigen, mit diesen Herausforderungen nicht allein zu lassen, begleiten und unterstützen wir sie seit einigen Jahren auch während der Ausbildung nach ihrem individuellen Bedarf. Im Sommer 2020 haben wir diese Nachbetreuung noch einmal professionalisiert, konzeptionell überarbeitet, Workshops mit Lernenden und Fachleuten durchgeführt, sowie Ausbildungsbetriebe und Ämter befragt. Als Ergebnis dieses Prozesses ist das Angebot «Ausbildungsbegleitung» entstanden. Angelehnt an das Konzept der «Supported Education» begleiten wir die jungen Menschen während ihrer Ausbildung durch ein Jobcoaching. Der Job Coach unterstützt die lernende Person bei arbeitsbezogenen Fragen und im Umgang mit Stress und Konflikten, fördert die Zusammenarbeit mit dem Ausbildungsbetrieb und berät den/die Berufsbildner*in bei anstehenden Fragen und Schwierigkeiten. Neben dem Jobcoaching umfasst die Ausbildungsbegleitung ein Case Management und kann durch ein berufsschulergänzendes Lerncoaching sowie eine psychologische Begleitung und Beratung ergänzt werden. Die Prinzipien, die uns dabei leiten, sind dieselben, die unserer Arbeit auch in anderen Angeboten zugrunde liegen: Beziehungsorientierung, Individualität, Ganzheitlichkeit und Langfristigkeit.
Auch wenn diese Begleitung den Abschluss der Berufslehre nicht garantiert: Ich bin überzeugt, dass viele junge Menschen dadurch die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, um erfolgreich durch die Ausbildung zu kommen und im Anschluss daran im Erwerbsleben Fuss zu fassen. Es ist mir deshalb ein grosses Anliegen, dass dieses Angebot an Bekanntheit gewinnt und sich so auch die Quote der erfolgreichen Lehrabschlüsse und Berufseinstiege verbessern darf.
[1] Landert, Charles & Eberli, Daniela (2015): Bestandsaufnahme der Zwischenlösungen an der Nahtstelle I. Bericht. Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI).
[2] Bundesamt für Statistik (2019): Lehrvertragsauflösung, Wiedereinstieg, Zertifikationsstatus. Resultate zur dualen beruflichen Grundbildung (EBA und EFZ).
[3] Duc, Barbara; Lamamra, Nadia; Lovirc, Ivana & Mellone, Valeria (2013): Lehrabruch – was nun? Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB IFFP IUFFP).
[4] Sabatella, Filomena & von Wyl, Agnes (2017): Supported Education in der Schweiz. Hilfe für junge Erwachsene beim Übertritt in das Berufsleben. ZHAW, Angewandte Psychologie.
Jayden (Top4Job-Teilnehmer) hat aus Eigeninitiative die Streetchurch-Talks gestartet. Im ersten Video interviewt er Jaël (Leiterin Begleitetes Wohnen).
Ein Pfarrer glaubt an Gott. Ein Gott, der etwas bewirken kann. Verändern. Verbessern. Heilen. Der Arzt glaubt ja auch an die Wirksamkeit seiner Medikamente. Sonst würde er sie nicht verschreiben. Wenn ich auf die letzten 25 Jahre meines Pfarrerseins zurückblicke, scheint der Glaube oft wie ein Placebo zu wirken. Wikipedia nennt es Scheinmedikament, ein Arzneimittel, das keinen Arzneistoff enthält und somit keine Wirkung hat.
Kein Wunder bleibt Enttäuschung zurück. Das gleiche gilt für meinen Glauben. Nicht immer, aber oft. Enttäuschung über all die begleiteten Menschen, die mit Gott neu anfangen wollten und trotzdem scheiterten. Enttäuschung auch über Gottes Glaubenshelden: David, Petrus, Paulus; wer genau hinschaut sieht Menschen, die zeitlebens mit bösen Charakterschwächen zu kämpfen hatten. Und bei mir?… sieht es nicht viel besser aus. Darum: Vieles spricht für den Abschied vom Glauben. Und trotzdem glaube ich weiter. Trotzig halte ich an Gott fest, der selbst mit seiner Mission an uns gescheitert ist. Ein solcher Entscheid muss begründet werden. Darum ist das vorliegende Essay entstanden.
Nach zwei Jahren nichts tun war es für mich hart am Morgen aufzustehen. Aber ich wollte endlich «lernen, meine eigenen Brötli zu verdienen». Nach dem 10. Schuljahr hatte ich eine Lehre begonnen und diese nach nur wenigen Monaten abgebrochen. Ich hatte keine Perspektive mehr fürs Leben. Über ein Beratungsangebot bin ich auf die Streetchurch aufmerksam geworden. Zum Glück! Leute wie hier hab ich noch nie erlebt. So nett und hilfsbereit. Ich habs nie bereut hierhin gekommen zu sein. Auf den Sommer habe ich eine Lehrstelle als Gebäudereiniger gefunden. Das Vorstellungsgespräch war via Zoom – das war seltsam. Die Schnupperlehre hat mir sehr gut gefallen und ich bekam die Stelle. Dieses Mal klappts! Nedeljko (21)
Wer bist du und was machst du in der Streetchurch? «Mein Name ist Elvir, bin 26 Jahre alt und seit 2 Jahren bin ich in der Streetchurch. Momentan mache ich ein Aufbautraining in der Sozialfirma. Das heisst ich baue lansgam wieder auf, da ich lange nicht mehr im ersten Arbeitsmarkt gearbeitet habe. Mit der Sozialfirma gehen wir Liegenschaften reinigen, täglich desinfiziere ich alle Tische und Büros.»
Das Motto der Streetchurch ist «Love can do it», was heisst das für dich?
«“Love can do it“ steht für mich für sehr grossen Zusammenhalt. Das habe ich hier sehr schnell erlebt. Ich war Anfangs sehr skeptisch gegenüber dem Ganzen. Aber das ist schnell verflogen je öfters ich da gewesen bin. Ich habe gemerkt, dass es den Leuten hier egal ist woher man kommt und was du für eine Geschichte hast. Es geht vor allem drum diese Liebe und den Zusammenhalt zu zeigen und es war für mich ein Neuanfang. Ich war im Zentrum am Bewerbungen schreiben als mich mal jemand gefragt hat, ob ich Lust hätte mitzukochen und bei den Grow Sessions dabei zu sein. Das hat für mich eine neue Sicht auf alles eröffnet… es ist wie eine grosse Familie. Ich habe viele neue Bekanntschaften gemacht, was ich so nicht erwartet hätte, da ich eher ein ruhigerer Mensch bin. Dann ist da auch noch das Camp, das jedes Jahr statt findet – wenns dann wieder möglich ist. Das ist auch etwas ganz tolles. Verschiedene Leute, nicht nur in meinem Alter sondern auch älter oder auch mit Kindern, fahren zusammen ins Camp. Das war ein sehr sehr schönes Erlebnis, das ich nicht mehr vergessen werde. „Love can do it“ ist für mich auch ein sehr grosses Motto geworden… dass man auch anderen die gleiche Liebe geben soll, wie man sie selber bekommen hat.»
Ich träume davon, dass in den nächsten drei Jahren… «Ich würde gerne selbständiger werden, was ich da schon sehr gut gelernt habe…
und ich hoffe, dass ich in 3 Jahren bei der Sozialfirma festangestellt bin.
Wenns da nicht klappt, kann ich mir auch etwas in der Küche vorstellen, da das eigentlich schon immer ein Wunsch von mir war, der zwar über all die Jahre verloren gegangen ist, aber hier wieder neu entfacht wurde. Und ausserdem möchte ich neben diesem Prozess so viele Leute wie möglich für die Streetchurch begeistern. Sei es aus meinem privaten Umfeld oder Leute, die ich neu kennen lerne.Ich finde es sehr wichtig, dass Leute, die eine ähnliche Situation wie ich sind, wissen dürfen, dass es einen Weg gibt – dass nicht alles verloren ist… so wie ich es erleben durfte.»
Nach der Bewilligung eines vierjährigen Pilotprojektes «Jugendkirche» durch die Synode der Evang.-ref. Landeskirche des Kantons Zürich und die Zentralkirchenpflege der Stadt Zürich startete 2003 die Geschichte der Streetchurch.
Wer bist du und was machst du in der Streetchurch? «Ich bin Matthieu und habe im Sommer meine Lehre zum Koch abgeschlossen. Vor dieser Lehre war ich 2 Jahre in der Streetchurch, da ich meine erste Lehrstelle verloren und viele private Probleme hatte. Mir wurde gesagt, dass mir hier geholfen wird… und es wurde mir geholfen.»
Das Motto der Streetchurch ist «Love can do it», was heisst das für dich?
«Das Gefühl, willkommen zu sein.
Auch wenn man in der Vergangenheit falsche Entscheidungen getroffen hat, wird man hier gut behandelt. Man kann ehrlich sein und es wird einem geholfen. So kommt man langsam aus dieser Spirale raus.»
Ich träume davon, dass in den nächsten drei Jahren… «Die grössten Träume habe ich schon erreicht: Lehre abgeschlossen, meine Finanzen im Griff, das Privatleben läuft gut. Was will man da noch mehr? Da träume ich höchstens noch davon, in ein paar Jahren eine Familie zu gründen.»
Bevor ich zur Streetchurch kam, hörte ich immer wieder den Satz: «Wer arbeiten will, findet auch etwas». Ich fühlte mich minderwertig, weil ich scheinbar den Anforderungen nicht genügte. Das machte mich unruhig. Nach einer Odyssee von Brückenangeboten, Praktika, einer abgebrochenen Lehre und Aushilfsjobs stiess ich per Zufall auf das Top4Job-Programm der Streetchurch. In die Schule gehen und daneben arbeiten und dabei noch etwas verdienen – das klang perfekt für mich. Von da an ging es bergauf für mich.
Ich kam wieder zur Ruhe, fühlte mich sehr schnell gut aufgehoben und wohl.
Auch die Zuversicht der Leute tat mir gut. „Du findest sicher etwas auf diesen Sommer, lass den Kopf nicht hängen.“ Ich merkte, dass es noch Menschen gibt, die an mich glauben. Man nahm sich Zeit für mich. Nach ein paar Monaten rief mich ein Betrieb an, dass sie meine Berwerbung top fänden aber leider im Moment keine freie Lehrstelle haben. Sie haben dann meine Bewerbung behalten und als die Lehrstellen fürs nächste Jahr ausgeschrieben wurden, haben Sie mich erneut angerufen. Nach dem Schnuppern und dem Vorstellungsgespräch bekam ich die Zusage für die Lehrstelle. Meine Lehre als Netzlektrikerin EFZ ist nicht gerade ein Zuckerschlecken und darum möchte ich, wenn ich gestartet bin, ins Lerncoaching in die Streetchurch gehen. Ich möchte die Lehre durchziehen und den andern auch zeigen, «hey, ich hab`s geschafft». Ich bin der Streetchurch sehr dankbar. Du wirst hier angenommen, so wie du bist. Das macht die Streetchurch aus – man ist zusammen unterwegs, wie eine grosse durchgeknallte Familie. Ich habe jetzt schon ein lachendes und weinendes Auge. Einerseits habe ich eine Lehre und andererseits muss ich mich von der Streetchurch lösen und kann nicht mehr gleich Teil sein wie ich es jetzt bin. Aber ich möchte trotzdem ab und zu vorbeikommen, in die Grow Sessions, oder einfach sonst mal, um zu erzählen, wie es in der Lehre läuft.